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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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anderen Mann im Bett war. Danach haben wir kaum mehr ein Wort gewechselt. Die letzten drei Nächte habe ich im Gästezimmer verbracht.«
    »War es das, worauf sie in ihrem Abschiedsbrief anspielte?« fragte Morse vorsichtig.
    »Ja.«
    »Es hatte keine anderen Hintergründe?«
    »Nein.«
    »Sie war bei Ihnen, als wir vor dem Gottesdienst am Sonntag miteinander sprachen, nicht?«
    Cornford war nicht überrascht. »Wir hatten uns gerade gestritten. Da mochte sie nicht mit Ihnen reden.«
    »Wissen Sie, wer der andere Mann war?«
    »Ja. Clixby Bream.«
    »Haben Sie das von ihr?«
    »Ja.«
    »Sie kann also mit dem Mord an Owens nichts zu tun gehabt haben.«
    »Nein. Und der Master auch nicht.«
    »Hatten Sie etwas damit zu tun?«
    »Nein.«
    »Warum haben Sie dann am Donnerstag abend Owens aufgesucht?«
    »Ich kannte ihn flüchtig, weil ich hin und wieder was für seine Zeitung schreibe. An dem Abend bin ich mit dem Bus nach Kidlington gefahren, dort habe ich in der Schule im Rahmen einer Veranstaltungsreihe der Historischen Gesellschaft einen Vortrag über die ›Auswirkungen der Einfriedungsgesetze in Oxfordshire‹ gehalten. Er ging von sieben bis acht. Owens wohnte ganz in der Nähe, es waren fünf Minuten zu Fuß. Ich hatte für ihn einen Artikel über das mittelalterliche Oxford geschrieben, der in drei Teilen erscheinen sollte. Owens hatte gesagt, er müsse ein bißchen gekürzt werden, wir besprachen die Änderungen und wurden uns problemlos einig. Gegen neun bin ich dann mit dem Bus wieder nach Oxford zurückgefahren.«
    »Warum haben Sie mir nicht gesagt, daß Sie Owens kannten?«
    »Ich wollte in die Sache nicht hineingezogen werden.«
    »Was werden Sie jetzt tun?«
    »Ich habe dem Master einen Brief geschrieben«, sagte Denis Cornford mit unverändert tonloser Stimme, »in dem ich ihm mitteile, daß ich meine Kandidatur zurückziehe.«
    »Das tut mir alles sehr leid«, sagte Morse leise.
    »Das glaube ich Ihnen sogar.«
    Als Morse ging, sah der blasse, bebrillte Historiker mit leerem Blick in seinen Tee wie jemand, dem man ein für nur kurze Zeit wirksames Mittel gegen unerträgliche Schmerzen gegeben hat.
     
    »Eine schreckliche Geschichte. Wirklich ganz schrecklich.«
    Der Master goß sich einen Single-Malt ein.
    »Was zu trinken, Chief Inspector?«
    Morse schüttelte den Kopf.
    »Wollen Sie sich nicht setzen?«
    »Nein. Ich bin nur hergekommen, um Ihnen zu sagen, daß Dr. Cornford mir das von Ihnen und seiner Frau erzählt hat.«
    »Hm.«
    »Wir brauchen Ihre Aussage.«
    »Warum das?«
    »Hauptsächlich wegen des Zeitfaktors.«
    »Ist das wirklich unumgänglich?«
    »An jenem Sonntag morgen ist ein Mord geschehen.«
    »Hm. Gehörte sie zum Kreis der Verdächtigen?«
    Morse gab keine direkte Antwort. »Sie kann unmöglich mit Ihnen geschlafen und gleichzeitig einen Mord begangen haben.«
    »Nein.« In dem faden Gesicht regte sich nichts, aber Morse spürte voller Ärger, daß der Master diese klare Feststellung von Shelly Cornfords Unschuld nicht ungern hörte, denn dadurch wurde stillschweigend auch er entlastet.
    »Wie ich höre, hat Dr. Cornford Ihnen geschrieben.«
    »Ja, er ist ausgestiegen, der arme Denis. Bleibt also nur noch Julian Storrs. Zum Glück ist das ein guter Mann.«
    Morse ging langsam zur Tür.
    »Wie denken Sie über Selbstmord, Sir Clixby?«
    »Im allgemeinen?« Der Master leerte sein Whiskyglas und überlegte. »Aristoteles betrachtete Selbstmord als eine Form der Feigheit, als eine Flucht vor Schwierigkeiten, bei der man die anderen in ihrem Kummer allein läßt. Wie sehen Sie denn das?«
    Morse schüttelte es förmlich vor Ekel bei dem Anblick dieses aalglatten, widerwärtigen Mannes.
    »Was Sie für einen Kummer haben, weiß ich nicht, und ich habe Mrs. Cornford nicht persönlich gekannt. Aber daß sie feige war, glaube ich nicht. Ich halte sie eher für ein sehr mutiges Mädchen.« Morse blieb mit verzerrtem Gesicht und bebenden Nasenflügeln an der Tür stehen. »Ja, ich wage sogar die Behauptung, daß sie mehr Mumm im kleinen Finger hatte als Sie im ganzen Körper.«
     
    Lewis wartete in dem Jaguar vor der Pförtnerloge, und Morse ließ sich schwer auf den Beifahrersitz fallen.
    In seiner Stimme zitterte die Wut noch nach. »Bringen Sie mich hier weg, Lewis. Schnell!«
     

57
     
    Freitag, 8. März
     
    Abwesende werden vermittels seiner zu Anwesenden: Briefwechsel ist der Balsam des Lebens.
    (Voltaire , Dictionnaire philosophique )
     
    Sergeant Lewis hatte gerade erst das

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