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Der Tod ist mein Nachbar

Der Tod ist mein Nachbar

Titel: Der Tod ist mein Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Sie, daß Rachel ein Verhältnis mit Julian Storrs hatte?«
    Sie nickte langsam.
    »Haben Sie das Mr. Owens gegenüber erwähnt?« Morse sah sie aus seinen blauen Augen scharf an.
    Sie wich seinem Blick nicht aus. »Wie käme ich denn dazu?«
    Morse sah einen Augenblick stumm auf die alten Steinplatten herunter, dann fragte er leise:
    »Hatten Sie mal ein Verhältnis mit Julian Storrs?«
    Er machte ein trauriges Gesicht dabei, fand sie, als hätte er die Frage nicht gern gestellt, und plötzlich wußte sie, warum sie sich darauf gefreut hatte, ihn wiederzusehen. Sie bemühte sich stets herauszufinden, was hinter dem Aussehen, den sexuellen Fähigkeiten, den maskulinen Reizen ihrer Liebhaber steckte, und oft genug mußte sie feststellen, daß dahinter praktisch gar nichts war. Lange blickte sie in das flackernde Kaminfeuer, ehe sie sich zu einer Antwort bequemte.
    »Ich habe einmal eine Nacht mit ihm verbracht. In Blackpool, auf einem Parteitag.«
    Sie sprach so leise, daß Morse sie kaum verstand. Vielleicht wollte er sie auch gar nicht verstehen. Nach einer längeren Pause fing er wieder an.
    »Sie haben mir erzählt, daß in Ihrem Internat, dem Roedean, etliche Offizierstöchter waren.«
    »Ja, eine ganze Reihe.«
    »Ihr Vater hat in Indien gedient?«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Er steht – oder stand – im Who ’ s Who . Er ist seit zwei Jahren tot. Ihre Mutter ist vor zwölf Jahren an Krebs gestorben. Sie waren die einzige Tochter.«
    »Ganz recht. Das arme Waisenkind …« Die Fassade der weltgewandten höheren Tochter hatte Risse bekommen.
    »Sie haben sein Vermögen geerbt.«
    Ein rauhes Lachen. »Ich höre immer Vermögen! Das haben die Buchmacher bekommen.«
    »Keine Familienerbstücke, keine Andenken oder dergleichen?«
    »Andenken?« wiederholte sie erstaunt.
    »Eine Pistole zum Beispiel? Eine Armeepistole?«
    »Sie denken doch nicht im Ernst, ich hätte etwas …«
    »Hier stelle ich die Fragen.«
    »Die Antwort ist nein«, fuhr sie ihn an. »Noch etwas?«
    Offenbar war es noch nicht überstanden.
    »Wo waren Sie am letzten Sonntag morgen?«
    »Zu Hause im Bett. Ich habe geschlafen, bis die Polizei mich geweckt hat.«
    »Und dann?«
    »Dann hatte ich Angst. Und wenn Sie es genau wissen wollen: Ich habe immer noch eine Scheißangst.«
    Morse betrachtete sie noch einmal genau. So attraktiv, so verletzlich – und vielleicht jetzt auch ein bißchen nervös? Einen ängstlichen Eindruck machte sie allerdings nicht.
    Verbarg sie ihm etwas?
    »Können Sie mir sonst noch etwas über diese schlimme Geschichte sagen?« fragte er ganz friedlich – und spürte sofort, daß er die Frage nicht vergeblich gestellt hatte.
    »Nur eins, und vielleicht hat es damit gar nichts zu tun. Julian hatte mich im November zu einem Gästeabend ins Lonsdale College eingeladen, und nach dem Dinner habe ich im Senior Common Room neben einem gewissen Denis Cornford gesessen, der Fellow dort ist. Ich bin ihm nur dieses eine Mal begegnet. Ein sehr sympathischer Mann, genau der Typ, den ich gern näher kennengelernt hätte.«
    »Nicht ein bißchen zu alt für Sie?«
    »Etwa Ihr Alter.«
    Morse legte die Finger um die Zellophanhülle und fragte mit möglichst fester Stimme:
    »Und was ist mit ihm?«
    »Ich habe ihn in unserer Straße gesehen. Am Donnerstag abend gegen acht. Er hat mich nicht bemerkt. Ich war gerade mit dem Wagen gekommen, und er ging zu Fuß vor mir her und an meinem Haus vorbei. Dann klingelte er an Nummer 15. Geoff Owens machte die Tür auf und ließ ihn herein.«
    »Und Sie sind sich ganz sicher, daß er es war?«
    »Völlig sicher«, antwortete Adele.
     

54
     
    Er sah ihr in die klaren Augen. »Wenn du nichts dagegen hast, stelle ich den Mozart jetzt ab, mein Schatz. Auf zwei schöne Dinge gleichzeitig kann ich mich einfach nicht konzentrieren.«
    (Zitiert von Terence Benczik in
    The Good and the Bad in Mills and Boon )
     
    Ungewohnt vorsichtig fuhr Morse in seinem Jaguar zum Präsidium. Wieder war ihm, als ob das Namensschild des bewußten Bahnhofs noch immer unkenntlich an ihm vorüberzog. Vor dem Kreisel an der Woodstock Road wartete er geduldig eine Lücke im Verkehr ab, womit er offensichtlich die Nerven eines wild hupenden Verkehrsrowdys hinter sich erheblich strapazierte.
    Er hätte nicht recht sagen können, ob er das, was dieses ABC-Mädchen ihm erzählt hatte, wirklich glaubte. Und dabei fiel ihm ein, daß er vergessen hatte zu fragen, ob sie es war, die gelegentlich die faden Parteipamphlete beiseite

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