Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
Familie Ruhe." Diese Ruhe hielt indessen nicht lange an. Christa Lehmann, nunmehr frei von jeglichen ehelichen Pflichten, frequentierte noch stärker als bisher die Wormser Gaststätten und Tanzsäle, angelte sich gelegentlich einen Kavalier - und wurde schwanger. Das paßte ihr gar nicht, deshalb suchte sie einen Arzt, der dieses Mißgeschick reparieren konnte, ehe ihr Schwiegervater, Valentin Lehmann, der unglücklicherweise im gleichen Hause wie sie wohnte, etwas davon merkte.
Schwiegervater Valentin war ohnehin böse, weil sie nicht gebührend um seinen Sohn trauerte. Bekannten gegenüber hatte er sie sogar „Flittchen" genannt, und den Polizisten Strupp fragte er, ob man die mannstolle Christa nicht der Sittenpolizei melden müßte. Wachtmeister Strupp, mit Christa noch besser bekannt als mit Schwiegervater Valentin, hatte abgeraten und schleunigst die sündhafte Witwe informiert. Christa argwöhnte, der Schwiegervater hätte Wind von ihrem Abtreibungsplan bekommen, und hielt es für geraten, erst einmal nichts weiter zu unternehmen. Dem lästigen Schwiegervater gegenüber ließ sie sich aber nichts anmerken. Sie ging ihm im Haushalt nach wie vor zur Hand. Auch am 9. Oktober 1953 hatte sie ihm seinen Lieblingstrank besorgt. An diesem Tage aber mochte Valentin Lehmann den Joghurt nicht. Er trank ihn erst am nächsten Morgen, ehe er zur Arbeit fuhr. Gegen sieben Uhr verließ er gesund das Haus, wenige Minuten später schüttelten ihn heftige Krämpfe. Er mußte vom Rad steigen, erbrach eine weiße Flüssigkeit und wurde von Passanten auf den Gehsteig gebettet. Schnell wurde ein in der Nähe wohnender Arzt benachrichtigt. Als Dr. Becker eintraf, war Lehmann bereits tot. Da Dr. Becker den Verstorbenen schon seit 1946 wegen eines Herzleidens behandelte, nahm er Herz- und Kreislaufversagen durch Angina pectoris an und stellte den Totenschein aus. Ein Mädchen lief zu Christa Lehmann, um sie zu benachrichtigen, daß ihr Vater soeben in der Mainzer Straße verstorben wäre. Christa glaubte, es handele sich um ihren leiblichen Vater, und radelte sofort dorthin. Als sie jedoch ihren Schwiegervater erkannte, machte sie kehrt und fuhr seelenruhig wieder nach Hause.
Kürze Zeit später starb, ebenfalls ganz plötzlich, ihre Schwiegermutter.
Als Oberinspektor Dahmen von dieser Häufung seltsamer Todesfälle erfuhr, schaltete sein Gehirn sofort auf Alarm. Christa Lehmann wurde überwacht. Die Kripo lancierte sogar eine Meldung in die Presse, wonach Anni Hamanns Tod die Folge einer Kette unglücklicher Umstände, also ein Unfall, war.
Am Donnerstag, dem 19. Februar 1954, fand die Beerdigung statt. Unter den Trauergästen auf dem Wormser Friedhof befand sich auch Christa Lehmann. Mehrere Kriminalbeamte hatten sich ebenfalls eingefunden. Als Christa Lehmann den Friedhof verlassen wollte, wurde sie verhaftet.
Oberinspektor Dahmen versprach sich von diesem Verhaftungszeitpunkt einen günstigen psychologischen Effekt für die erste Vernehmung. Was die Kriminalpolizei bis dahin zusammengetragen hatten reichte zwar gerade noch aus, um Christa Lehmann wegen „dringenden Tatverdachts" zu verhaften, nicht aber, um ihre Schuld zu beweisen.
Sie selbst, von der der Psychiater später sagte, daß sie egozentrisch, gefühlskalt und geltungssüchtig, aber normal intelligent wäre, hatte verständlicherweise kein Interesse daran, der Kriminalpolizei die Arbeit zu erleichtern. Sie bestritt ganz energisch, ihre Freundin umgebracht zu haben, erinnerte auch daran, daß sie ebenfalls solche Schokoladenpilze gegessen hätte, und wandte ein, daß der Pilz, an dem Anni Hamann starb, in ihrer Wohnung nur ein paar Stunden, in der der Verstorbenen hingegen zwei Tage gelegen hatte. Außerdem hätte sie weder ein Motiv noch die nötigen Voraussetzungen für dieses Verbrechen gehabt, und das Gift E605 würde sie überhaupt nicht kennen.
Dahmen, der sich vorerst wohlweislich hütete, nach den anderen Toten zu fragen, ließ nicht locker. Nach drei Tagen i ntensiver Verhöre, gepaart mit strenger Einzelhaft, brach Christa Lehmann zusammen und gab zu, ihre Freundin getötet zu haben. Allerdings hätte sie es nicht absichtlich getan. Der Schokoladenpilz wäre nämlich nicht für sie, sondern für deren Mutter, Eva Ruh, bestimmt gewesen. Frau Ruh, stets bemüht, die Freundinnen zu entzweien, hätte ständig etwas an ihrem Lebenswandel auszusetzen gehabt. Damit aber hatte sie sich den Haß der Tochterfreundin zugezogen. Den Pilz präparierte Christa
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