Der Tod Kam Mit Der Post: Aus Der Geschichte Der BRD-Kripo
gelebt, folglich geatmet, mußten ihre Lungen Rußablagerungen aufweisen. Solche aber hatte der Professor nicht gefunden.
Der Staatsanwalt sah die Sache jetzt so: Dr. Müller hatte seine Frau wahrscheinlich erschlagen und danach verbrannt. Der Verteidiger war anderer Ansicht. Er focht die Gutachten an. verwies auf die schleppenden und überdies aufwendigen, im Endergebnis aber nichts beweisenden Untersuchungen und beantragte die Hinzuziehung neuer Gutachter. Dabei ging er von der Annahme aus, daß entweder der Katalytofen oder das unvorsichtige Hantieren der Verstorbenen mit einem brennenden Streichholz in Verbindung mit ausgeflossenem Katalyt den Brand ausgelöst hatten.
Dr. Müller selbst bestritt nach wie vor, seine Frau absichtlich getötet zu haben. Während der Untersuchungshaft unternahm er zwei Selbstmordversuche, weil es, wie er an den Gerichtsvorsitzenden schrieb, „auf dieser Erde keine Gerechtigkeit mehr gibt". Das Gericht überwies ihn daraufhin in eine psychiatrische Klinik, gab dem Antrag des Verteidigers auf Hinzuziehung weiterer Gutachter statt und setzte die Verhandlung vorerst aus.
Am 18. Juni 1956 setzte das Oberlandgericht Neustadt unter Vorsitz von Oberlandgerichtsrat Müller die Verhandlung fort. Der Sachverständige Leszczynski vom Bundeskriminalamt, vom Verteidiger als befangen abgelehnt, weil zur Untersuchungsbehörde gehörend, wurde nicht mehr als Gutachter, sondern lediglich als sachverständiger Zeuge gehört.
Der neu hinzugezogene Sachverständige Schön von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig hatte die Frage zu beantworten, ob der Katalytofen als mögliche Brand-
Ursache anzusehen wäre. Verteidiger Kuntz hatte sich nämlich erboten. Hunderte von Zeugen zu benennen, denen schon einmal ein Katalytofen explodiert wäre.
Ingenieur Schön jedoch meinte, Katalytofen könnten überhaupt nicht explodieren. Auch den Vorhalt des Verteidigers, die Bundeswehr würde den Ankauf von Katalytofen aus Sicherheitsgründen ablehnen, wies er zurück. Richtig sei, daß die Bundeswehr diese Heizkörper nicht kaufe, weil sie lediglich bei Minus-Temperaturen bis zu 40 Grad Celsius funktionieren. Im übrigen war auch Gutachter Schön der Meinung, daß nach den vorliegenden Befunden nur vorsätzliches Ausschütten und Anzünden von Bezin als Brandursache in Frage käme.
Am 2. Juli 1956 brachte sich Dr. Müller mit einer Rasierklinge in der linken Ellenbogenbeuge eine tiefe und an beiden Handgelenken oberflächliche Schnittverletzungen bei. Die Gerichtsverhandlung fing daher mit einer Stunde Verspätung an. Zu Wort kam Professor Wagner, der „einräumen" mußte, daß Frau Müller bei Brandbeginn doch noch geatmet haben könnte. Seine Fett-emboliethese war mittlerweile von anderen Gerichtsmedizinern in Frage gestellt worden. Der Pathologe Randerath hatte beispielsweise in den Lungen der Verstorbenen so reichlich Rußablagerungen gefunden, daß er zu dem Schluß kam, Frau Müller müßte nach Brandbeginn mindestens noch 30 Sekunden gelebt und wenigstens zehnmal tief eingeatmet haben. Winzige Fetttröpfchen fand allerdings auch er im Lungengewebe. Dennoch stand er Wagners Fettembolievermutung skeptisch gegenüber. Für das Entstehen einer solchen Embolie reiche nämlich eine starke Erschütterung nicht aus. Es müßte schon eine erhebliche Gewalteinwirkung vorgelegen haben. Dafür aber gäbe es im Obduktionsbefund keinen Anhaltspunkt. Möglich wäre, daß postmortale Fettverschiebungen eine Fettembolie lediglich vortäuschten. Das alles wurde auch vom dritten medizinischen Gutachter, Professor von Mueller, bestätigt. Der psychiatrische Gutachter Professor Bayer stellte schließlich fest, daß Dr. Müller seit jeher neurasthenisch, hypochondrisch, theatralisch und pathetisch veranlagt war und möglicherweise den Grenzfall eines schizoiden Psychopathen darstellt, ansonsten jedoch normal und für seine Handlungen voll verantwortlich wäre.
Staatsanwalt Lenhard beantragte nach dreistündigem
Plädoyer für Dr. Müller wegen Mordes lebenslänglich Zuchthaus. Er vertrat den Standpunkt: „Wer seine Frau umbringt und kein Motiv dafür nennen kann, handelt aus niedrigen Beweggründen." Der Verteidiger des Angeklagten dagegen beantragte Freispruch mangels Beweises.
Am 13. Juli 1956, dem 52. Verhandlungstag, verurteilte das Oberlandgericht den Zahnarzt Dr. Müller wegen gefährlicher Körperverletzung und fahrlässiger Tötung unter Anrechnung der Untersuchungshaft zu sechs Jahren
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