Der Tod kann warten: Kriminalroman (Sandner-Krimis) (German Edition)
Kopfschütteln.
»Aber«, ergänzt die Zweite mit Piepsstimme, »kann sein, kann nicht sein.«
Der Hartinger ächzt auf und faltet die Hände zum Gebet.
»Sie halten sich zu unserer Verfügung«, beschließt seine Kollegin das karge Gespräch, »kann sein, wir kommen bald einmal bei Ihnen zu Hause vorbei – oder kann nicht sein.«
Sie lassen die beiden im Park stehen und hasten zurück zur Pforte. Es gibt Gebäude, in denen willst du dich nicht länger als nötig aufhalten – vor der Zeit. Mindestens drei fallen jedem ein.
»Herrgott! Das war nix«, flucht der Hartinger los.
»Findest du?«, fragt die Wiesner. In ihrem Peugeot blättert sie nachdenklich durch die Kopien mit den Daten, die ihnen der Pflegedienstleiter überlassen hatte.
»Wieso?«, fragt der Rotschopf.
Sie seufzt auf. »Erstens glaub ich nicht an die Mär von den Unbekannten, die vorbeikommen und die Frau einsacken. Die könnten gesehen werden – oder die Brauner zickt und will nicht mit. Was machen’s dann? Chloroform? Niederschlagen?
Zweitens müssen die Entführer irgendwie erfahren haben, dass die Mutter vom Oberstaatsanwalt hier einsitzt. Und zwar erst vor Kurzem. Warum hätten’s sonst so lange gewartet mit ihrer Idee? Das Geheimnis steckt in diesen Listen.«
Der Hartinger gibt Gas Richtung Dienststelle Hansastraße.
»Wie viele Manschgerl sind da drauf? Hundert? Und wie viel sind wir?«
»Hast du heut Nacht noch ein Date gehabt? Sag es besser ab. Und morgen früh besuchst du gleich die anderen zwei Gretln, die heimgegangen sind.«
Das Auge des Sturms kann sie auch geben. Mal schauen, wie graziös der Hartinger fliegen kann.
»Wir machens nach dem Ausschlussprinzip. Und schauen, wie es sich verästelt. Da muss es eine Verbindung geben.«
»Verästelt? Oh Mann«, kommentiert ihr Begleiter. »Und wenn nicht?«
Die Wiesner beantwortet seine Frage nicht. Sie ist gedanklich schon weitergejagt.
»Morgen früh hab ich einen Termin in Stadelheim, mit dem Benedikt Fuhrer.«
»Morgen könnte die Brauner schon tot sein. Ich mein ...«
»Ja – besser, wir findens schleunigst und bringens heil zurück – ins wilde Leben. Der Tod kann ja warten.«
Der Hartinger wird aus dem Tonfall der Oberkommissarin nicht schlau.
»Der wartet eh auf jeden, dem wird’s nie fad dabei«, sagt er und lässt den Wagen an.
Von Pasing ins Westend bist du nicht lange unterwegs. Selbst wenn du nicht wie ein Hartinger deinen Wagen knüppelst.
Das vorübergehende Nest der K11ist zwischen Bürokomplexen, Restaurants und Freudenhaus eingepasst, ein gewöhnliches Geschäftshaus ohne besondere Kennzeichen. Sie sind im Totschlagbusiness. Du brauchst heutzutage kein trutziges oder alterswürdiges Gebäude mehr wie die »Löwengrube«, um deine Arbeit zu verrichten. Gehört zum Alltag.
Die einen brezeln morgens in der Backstube oder hauen die Leute mit Wertpapieren übers Ohr, der andere beschäftigt sich mit den Ermordeten. Was halt zwangsläufig liegen bleibt, wenn eineinhalb Millionen Menschen täglich aufeinanderprallen und jeder Vorfahrt haben will in seinem Leben.
Eine Viertelstunde brauchen sie, bis der Hartinger den Dienstwagen vor der Tür abstellen kann. Um diese Zeit ist es ruhig geworden im Gebäude. Nicht, weil alle um fünf das Werkzeug fallen lassen, sondern weil die polizeiliche Personaldecke bloß ein löchriger Fetzen ist. Da hat es der Bäcker leichter. Der braucht sich nicht täglich die Haare zu raufen, wie er die ganze Arbeit hinbekäme. Höchstens müsste er sich kümmern, dass der Lehrling sich nicht allerweil zum Rauchen verdrückt.
D er Wenzel und der Polizeirat erwarten sie auf dem Gang im Erdgeschoss. Zweiter im Trachtenanzug. Original Hirschhornknöpfe, kein Plastiktand. Es hat wohl einen repräsentativen Anlass gegeben, bei dem er bayrische Akzente setzen musste. »Mir san mir.« Politisch motiviert offenbar. Jetzt schaut er zerknirscht aus der Wäsche. Die Nacht haut er sich lieber um die Ohren, wenn alles Hand, Fuß und Fundament hat und du dich nicht als Geheimniskrämer verschwörst.
»Bis Sonntag«, begrüßt er sie schroff. »Dann volles Programm. Brauner hin oder her. Der Doktor Wenzel hat mich umfassend informiert. Und ich will genauso umfassend von euch informiert sein. Nicht bloß die Happen, die ihr mir immer vorwerft – sonst schnapp ich nach euch. Und das tut sakrisch weh – glaubt mir. Und richtet das auch dem Sandner aus. Ich hab keine Lust, unvorbereitet vor der Presse zu stehen wegen stümperhafter
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