Der Tod kommt in schwarz-lila
Wiederherstellung der einzig wahren Gerechtigkeit lastete auf seinen Schultern.
Das Foto war schlecht. Es war grobkörnig und schwarz-weiß und aus der Zeitung ausgeschnitten, doch es würde seinen Zweck erfüllen. Er ging zurück in die Küche und öffnete den großen Wandschrank. Zwei Scheiben Toastbrot lagen darin. Ansonsten war der Schrank leer. Er würde wieder losziehen müssen. Es ließ sich nicht vermeiden. Wenn er bei Kräften bleiben wollte, dann musste er essen. Er griff nach dem Toastbrot. Für heute würde es reichen. Er fühlte sich nicht wohl. Heute war ein schlechter Tag. Er schaute in seinen Geldbeutel. Nur noch Münzen befanden sich darin. Nicht einmal fünf Mark.
Er hätte sich gerne eine Pizza geholt. Er liebte Pizza. Wenn es damals in Wehnen welche gab, dann aß er, bis sein Bauch zu platzen drohte. Für Essen war dort gesorgt, doch das war auch alles. Nie mehr würde er dorthin zurückgehen. Nie mehr.
*
Das Wochenende verging wie im Flug. Trevisan befürchtete, dass er erneut von Angelas Seite weggerissen werden könnte, doch seine Sorge war unbegründet. Es blieb ruhig. Zusammen mit Paula hatten sie am Sonntag eine Wattwanderung unternommen. Sie waren erst spät nach Hause gekommen. Das Phantom vom Wangerland hatte Trevisan eine Pause gegönnt. Als Trevisan am Montagmorgen zum Dienst ging, fühlte er sich ausgeruht und erholt.
Monika Sander betrat das Büro. Trevisan saß hinter seinem Schreibtisch und las in Kleinschmidts Bericht.
»Hallo, Martin«, begrüßte sie ihn. »Es ist am Freitag wohl spät geworden?«
Trevisan blickte auf. »Als ich am Freitag zurückkam, wart ihr schon alle weg. Wie ist es bei euch gelaufen?«
»Nichts. Niemand kann sich an einen Schüler erinnern, der nur vier Finger an einer Hand hat. Auch das Bild hat uns nicht weitergebracht. Aber warum fragst du, du hast die Tauchschule doch gefunden?«
»Ich habe herausgefunden, wo er im letzten Jahr gearbeitet hat und untergekommen ist. Ich kenne seinen Vornamen, aber das ist auch schon alles.«
»Übrigens, hat dich meine Nachricht noch erreicht?«
»Welche Nachricht?«
»Ich bin zufällig auf eine mögliche Erklärung für das Geld in Mijboers Schreibtisch gestoßen. Ich habe einen Zettel auf deinem Schreibtisch hinterlassen.«
Trevisan zuckte mit den Schultern und suchte nach Monikas Notizen.
»Bemüh dich nicht. Es gibt einen Hinweis aus dem Betrugsdezernat«, erklärte Monika. »Demnach war Mijboer ein Spieler. Ein Kartenhai. Er spielte in verschiedenen Clubs in Bremen. Wahrscheinlich stammt das Geld aus dem Glücksspiel. Aber das ist ja jetzt nicht mehr so wichtig. Wie gehen wir weiter vor?«
»Wo sind die anderen?«, fragte Trevisan.
»Dietmar ist noch immer krank«, entgegnete Monika. »Till und Alex schreiben gerade an ihrem Bericht und Tina hat heute früh einen Termin bei Beck. Es geht um die Stellenvergabe.«
»Wir müssen dringend miteinander reden. Wir treffen uns heute Mittag um zwei im Konferenzraum. Was hast du jetzt vor?«
»Eigentlich nichts.«
»Dann kannst du mich begleiten«, sagte Trevisan und schloss den Aktenordner.
*
Sie hatten den anderen Bescheid gegeben und waren in die Tiefgarage gegangen. Erst als sich Trevisan hinter das Steuer setzte, sagte er Monika, dass er nochmals zu Grevenstedts Bootshaus fahren wolle.
»Du hast noch immer nicht gesagt, wie wir nun weitermachen«, sagte Monika.
Trevisan richtete den Blick auf die Fahrbahn. Ein Wagen bog vor ihm in die Straße ein. Trevisan musste bremsen. Er zerbiss einen Fluch auf den Lippen.
»Und?«, fragte Monika.
Trevisan blickte sie fragend an.
»Wie geht es weiter?«
»Ich weiß es noch nicht so genau. Wir müssen seine Geschichte kennen lernen, nur dann haben wir eine Chance.«
»Und wie willst du das anstellen?«
»Wir müssen lernen, seine Sprache zu verstehen. Er äußert sich nicht mit Worten, aber jede einzelne seiner Taten sagt mehr über ihn als das, was wir bislang herausgefunden haben. Er geht einen Weg. Nur wenn es uns gelingt, ihm auf diesem Weg entgegenzugehen, werden wir ihn fassen. Solange wir nur versuchen, ihn einzuholen, ist er uns immer einen Schritt voraus.«
»Ich verstehe nicht, wie du das machen willst.«
»Die Psychologin vom LKA hat mir dabei geholfen«, sagte Trevisan. »Wusstest du eigentlich, dass Schwarz und Lila in dieser Kombination eine tiefere religiöse Bedeutung haben?«
Monika schüttelte den Kopf.
»Schwarz und Lila stehen für den Tod und das Leiden Christi. An Karfreitag und
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