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Der Tod kommt in schwarz-lila

Titel: Der Tod kommt in schwarz-lila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefne
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an einen traurigen Tag.« Seine Stimme klang brüchig.
    »Sie wissen also, was da draußen passiert ist?«
    Joost nickte. »Es war ein sonniger Tag. Ich glaube, es war Mai. Da sind drei Kinder mit dem Boot vom alten Ferdens hinausgefahren. Es lag immer an der Mole im Hafen. Der Älteste half Ferdens ab und zu beim Ausbringen der Netze. Der Junge hat seine Geschwister mitgenommen und ist einfach hinausgefahren, ohne zu fragen. Verstehen Sie? Dann ist es passiert. Ein Kutter hatte draußen im Fahrwasser die Netze ausgebracht. Der Junge steuerte das Boot direkt in die Kurrleinen. Das Boot ist gekentert. Zwei der Kinder sind ertrunken. Ein Mädchen und ein Junge. Der Kapitän hat sofort beigedreht. Ein anderer Fischer hat den Unfall beobachtet. Sie haben noch versucht, die drei zu retten, doch sie haben nur den Ältesten aus dem Wasser gezogen. Er war auch fast schon tot. Zufällig war ein Rettungskreuzer in der Nähe. Sie haben den Jungen wiederbelebt. Es war schlimm.« Joost strich sich mit seiner Hand durch die silbergrauen Haare. Seine Augen waren feucht geworden.
    »Wissen Sie noch, welcher Kutter in den Unfall verwickelt war?«
    »Der Kutter war in Wilhelmshaven registriert. Den Namen weiß ich nicht mehr.«
    »Können Sie sich an die Namen der Fischer erinnern?«
    Joost legte seine Stirn in Falten. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Wer waren die Kinder? Stammten sie von Wangerooge?«
    »Sie waren oft hier auf der Insel zu Gast«, erwiderte Joost. »Sie müssen vom Festland gewesen sein.«
    »Dieser Ferdens, wo kann ich ihn finden?«
    »Da haben Sie Pech. Der liegt schon seit zehn Jahren auf dem Friedhof.«
    »Wissen Sie, was aus dem geretteten Jungen und seiner Familie wurde?«
    »Es hieß, dass sie weggezogen sind. Die Mutter hat offensichtlich den Verstand verloren. Ich habe nie mehr etwas von ihnen gehört.«
    Trevisan spürte ein Kribbeln in seinen Haarwurzeln. Nur schade, dass Joost ihm keine Namen nennen konnte. Doch irgendwo mussten diese Namen zu finden sein.
    »Vielleicht sollten Sie mal im Inselarchiv stöbern«, riet ihm der alte Joost. »Unsere Gemeinde sammelt alle Geschichten rund um Wangerooge. Vielleicht gibt es dort noch Dokumente.«
    »Sie haben mir sehr geholfen«, sagte Trevisan nachdenklich. »Wo finde ich dieses Archiv?«
    »Ich werde Sie hinbringen.« Joost erhob sich.
    Draußen hatte es zu regnen begonnen.
    *
    »Dieses verdammte Scheißwetter«, fluchte Kleinschmidt, als er sich über das kleine Sandloch am Fuße des Kreuzes beugte. Er war vor knapp einer Stunde mit dem Polizeihubschrauber gelandet. Hanselmann und der Polizeifotograf begleiteten ihn. Kleinschmidt wartete geduldig, bis der Fotograf seine Bilder gemacht hatte, ehe er zum Spaten griff und vorsichtig zu graben begann. Zwar rutschte der Sand Stück um Stück nach, doch er wurde fündig. Er förderte zwei weitere Geschenkkartons zu Tage. Einer der Kartons war rot, der andere schwarz. Auch in ihnen befand sich der gleiche grausige Inhalt. Vorsichtig steckte Kleinschmidt seine Funde in eine Plastiktüte. Akribisch beschrieb er den Fundort und den Inhalt der Tüte auf dem dazugehörigen Formular.
    »Wie seid ihr darauf gekommen, dass sich die abgeschnittenen Finger hier befinden müssen?«, fragte er Monika.
    »Trevisan kam darauf. Nach dem Fund des Scooters auf Minsener Oog war klar, dass der Mörder aus einem anderen Grund hier auf Wangerooge gewesen sein muss, als wir zunächst annahmen.«
    »Habt ihr schon seinen Namen?«
    »Trevisan ist gerade im Dorf. Es dürfte nicht besonders schwer sein, hinter den Sinn des Kreuzes zu kommen.«
    Kleinschmidt nickte, dann blickte er sich um. »Kaum zu fassen«, murmelte er. »Vor wenigen Wochen waren wir keine zweihundert Meter von dieser Stelle entfernt und untersuchten einen Mord. Zwei Monate und sechs Leichen später stehen wir wieder hier auf dieser Insel. Es ist, als hätten wir uns die ganze Zeit über nur im Kreis gedreht.«
    »Aber wer konnte das damals ahnen«, fügte Monika nachdenklich hinzu.
    Ein Regentropfen lief über ihre Stirn.
    *
    Das Archiv befand sich im dritten Stock des alten Westturmes. Joost hatte Trevisan direkt dorthin geführt und mit der Verwalterin bekannt gemacht. Trevisan blickte sich um. Es war düster. Die kleinen Fenster ließen nur wenig Licht in den Raum. Dunkle und schwere Holzregale, über zwei Meter hoch, standen an den Wänden. Sie waren gefüllt mit Büchern und Aktenordnern. Eine riesige Schiffsglocke hing von der Decke herab. Die Verwalterin stellte

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