Der Tod kommt in schwarz-lila
Gespräch legte Trevisan den Hörer zurück auf die Gabel. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »Es war nicht leicht. Aber sie landen in einer halben Stunde auf unserem Landeplatz«, erklärte er zufrieden. »Ich hoffe, du hast einen warmen Mantel. Wir werden zu Fuß in die Ostdünen gehen müssen.«
»Wieso setzen sie uns nicht einfach in den Dünen ab?«
»Zu gefährlich bei diesem Wetter«, erwiderte Trevisan. Er schaute auf die Uhr. Es war kurz nach halb acht. »Meinst du, die Polizeistation in Wangerooge ist schon besetzt?«
Monika schüttelte den Kopf. Trevisan erhob sich und holte das Telefonbuch aus dem Regalschrank.
»Was suchst du?«
»Herbst, der Kollege von Wangerooge, hat mir seine Privatnummer gegeben. Ich rufe ihn zu Hause an«, erklärte Trevisan. »Er soll uns am Flughafen abholen.«
*
Als der Hubschrauber neben dem Inspektionsgebäude landete, standen Trevisan und Monika Sander bereit. Draußen hatte es zu regnen begonnen und der Wind hatte zugenommen. Der Lärm des Motors schmerzte in Trevisans Ohren. Erst als die Rotorblätter der Bell zum Stillstand gekommen waren, stieg einer der Piloten aus. Trevisan und Monika liefen über den Platz. Trevisan hatte den Mantelkragen hochgeschlagen und kämpfte gegen den heftigen Wind an. Der Pilot begrüßte die beiden Passagiere und öffnete die Fondtür.
Als Trevisan einstieg, war ihm mulmig zumute. »Sind Sie sicher, dass wir damit auch nach Wangerooge kommen?«, rief er dem Piloten zu. Der nickte nur und zeigte ihm den erhobenen Daumen. Keine zwei Minuten später hob der Hubschrauber ab. Es wurde ein unruhiger Flug und Trevisan war froh, dass er außer zwei Tassen Kaffee noch kein Frühstück zu sich genommen hatte. Die kräftigen Böen rüttelten an dem Helikopter und mehr als einmal musste Trevisan schlucken. Auch Monikas Gesicht sprach Bände.
Das laute Dröhnen im Inneren des Hubschraubers erstickte jede Unterhaltung. Der Flug schien eine Ewigkeit zu dauern. Als Trevisan durch das Fenster nach draußen schaute, wurde ihm noch übler. Nach einer Weile spürte er, dass die Maschine an Höhe verlor. Er riskierte erneut einen Blick nach draußen. Wangerooge lag unter ihnen.
*
Nachdem die Rotorblätter zum Stillstand gekommen waren, öffnete der Pilot die Tür. Herbst stand mit hochgeschlagenem Anorakkragen unweit des Landesplatzes.
Trevisan stieg aus. Monika Sander folgte ihm. Heftige Windböen rissen an Trevisans Mantel. Zum Glück regnete es hier auf Wangerooge noch nicht.
»Es muss sehr wichtig sein, wenn Sie bei dem Wetter hier herauskommen«, begrüßte ihn der Polizist.
»Es ist vielleicht sogar lebenswichtig«, entgegnete er.
Herbst führte sie zur Polizeistation.
In dem kleinen Wachraum kam Trevisan ohne Umschweife zum Thema. »Draußen in den Ostdünen steht ein altes Kreuz. Wissen Sie, wer es dort aufgestellt hat?«
Herbst blickte Trevisan verwundert an. »Deswegen sind Sie hierhergekommen?«
Trevisan nickte.
»Das Kreuz steht schon ein paar Jahre da draußen«, erklärte Herbst. »Es heißt, dass dort in der Nähe ein paar Kinder ertranken. Ich bin erst fünf Jahre hier auf Wangerooge. Leider kenne ich den genauen Hintergrund nicht. Aber es muss von den Eltern aufgestellt worden sein.«
»Wer könnte darüber Bescheid wissen?«, fragte Monika.
»Wenn es hier auf Wangerooge jemanden gibt, den Sie fragen können, dann ist es der alte Joost«, erwiderte Herbst. »Er kennt alle Geschichten rund um die Insel.«
»Wo können wir ihn finden?«
Herbst schaute auf seine Armbanduhr. »Heute wird er wohl keine Wattwanderung organisieren. Dann ist er bestimmt bei Hanne im Seestern. Ich mache mich sofort auf die Suche nach ihm.«
»Können Sie uns zuerst zu dem Kreuz bringen?« Trevisan warf einen Blick aus dem Fenster. Noch regnete es nicht.
»Wie gut sind Sie bei einem solchen Wetter mit dem Fahrrad?«, fragte Herbst.
Trevisan zuckte die Schultern. Er war schon lange nicht mehr Fahrrad gefahren.
»Einen Dienstwagen haben wir hier auf der Insel ja nicht, Wangerooge ist autofrei«, erklärte Herbst. »Zu Fuß dauert es aber eine ganze Weile.«
Eine Viertelstunde später brachen sie auf. Herbst hatte zuerst noch ein passendes Fahrrad für Monika Sander besorgen müssen. Noch war der Weg geteert, doch bald erreichten sie den ausgetretenen Wanderweg, der hinaus zu den Ostdünen führte.
Für Trevisan war es eine vollkommen neue Erfahrung, sich bei orkanartigem Wind und sandigem Untergrund auf zwei Rädern zu bewegen. Er
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