Der Tod kommt in schwarz-lila
Dremel.
»Suizidale Absichten waren an der Tagesordnung. Doch am Ende legte sich das. In einem Gespräch äußerte er einmal, dass die anderen, damit meinte er wohl seine Lebensretter, ihn besser hätten ertrinken lassen sollen. Überhaupt stand er seiner Rettung sehr ablehnend gegenüber. Er war der Meinung, dass seine Retter dafür verantwortlich waren, dass es ihm nicht gelang, seine Geschwister vor dem Tod zu bewahren. Ein anderes Mal war er betrübt darüber, dass er nun in dieser Welt zurückbleiben musste, obwohl seine Geschwister bereits in eine bessere Welt vorausgegangen waren. Anfänglich drehten wir uns wirklich nur im Kreis.«
Das Telefon klingelte. Doktor Dremel entschuldigte sich für einen Augenblick.
»Hat er jemals davon gesprochen, dass er seine Lebensretter hasst?«, fragte Trevisan direkt.
»Mehrmals. Er gab ihnen, wie gesagt, sogar die Schuld an seinem Versagen. Doch das war für mich nachvollziehbar. Die Mutter und der Vater begegneten ihm nur mit Vorwürfen. Für sie war er der Schuldige. Er hatte ein Boot gestohlen und einen schwerwiegenden Unfall herbeigeführt. Diese ewigen Schuldvorwürfe entluden sich schließlich im Vatermord. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne. Alles war in ihm abgestorben. Erst Jahre später gelang es uns, seine Gefühle wieder ein Stück zum Leben zu erwecken.«
Doktor Dremel hatte sein Gespräch beendet und kehrte wieder in die Runde zurück.
»Hat er denn später, als er in die offene Abteilung verlegt wurde, jemals ähnliche Äußerungen von sich gegeben?«, fragte Martinson.
Doktor Lohhof schüttelte den Kopf. »Dann wäre er mit Sicherheit wieder bei mir gelandet.«
»Wie sah die Therapie aus, die er in der offenen Abteilung erhielt?«
»Medikamente, Gespräche und Aktivitäten«, erklärte Doktor Lohhof. »Eine gute Mischung aus alledem. Raftingtouren, Wanderungen, sogar einen Tauchkurs beinhaltete das Programm. Jeden Tag Gespräche und die für die Sedierung erforderlichen Arzneimittel. Ein ausgewogener und umfassender Plan für seine Rückkehr ins Leben.«
»Er wurde nach sieben Jahren entlassen. Wissen Sie noch, wer das damalige Gutachten für das Gericht erstellte?«, fragte Trevisan.
»Soviel ich weiß, waren es Professor Günther von der Universitätsklinik in Hannover und Professor Hohlberg, unser Klinikleiter«, antwortete Lohhof.
»Glauben Sie wirklich, dass Sörensen der Wangerland-Mörder ist?«, mischte sich Doktor Dremel in das Gespräch ein.
»Wir glauben es nicht nur, wir wissen es mittlerweile«, entgegnete Trevisan.
Lohhof und Dremel schauten sich an.
»Seine Prognose war außerordentlich günstig. Es ist unglaublich«, stellte Doktor Lohhof nachdenklich fest.
»Wie, glauben Sie, wird er reagieren, wenn wir auf ihn treffen?«, fragte Trevisan.
»Die Mordserie geistert durch alle Tageszeitungen. Nach dem, was Sie mir erklärten, sieht es fast so aus, als ob er wieder in seine Schattenwelt zurückgekehrt ist«, antwortete Lohhof. »Sollte dies der Fall sein, dann glaube ich nicht, dass er sich durch irgendetwas von seinen Vorstellungen abbringen lässt. Er wird aggressiv und unnachgiebig sein und seinen Weg bis zum Ende gehen.«
»Und wie sieht dieses Ende aus?«, fragte Trevisan.
»Er wird seinen Geschwistern folgen.«
Trevisan hatte erfahren, was er wissen wollte. Seine Befürchtungen wurden bestätigt. Er bedankte sich bei den beiden Ärzten und verabschiedete sich. Als er neben Margot Martinson zum Wagen zurückging, arbeitete es fieberhaft in seinem Gehirn. Der Mord an Lüdke lag schon wieder neun Tage zurück. Wer war jetzt an der Reihe? Erst Sörensens eigener Tod war das Ende des Wahnsinns.
Als er in den Wagen steigen wollte, klingelte das Handy. Er meldete sich. Monika Sander war am Apparat. Sie berichtete vom Fund des Unterschlupfes in der alten, verfallenen Hartmann-Villa. Dort musste Sörensen die letzten Wochen gehaust haben.
Dunkle Wolken zogen von Westen über den Himmel heran.
*
Er blickte hinüber zu der mondänen Villa. Die weißen Rollläden waren geschlossen. Seit Tagen schon trieb er sich in dieser noblen Gegend herum. Trotzdem war er niemandem aufgefallen. Er war unsichtbar. Er wusste genau, wo sich der Bewohner der Villa aufhielt. Er wusste, wann er gefahren war, er wusste, wann er sich mit den Kindern treffen wollte und wohin ihn der erste Abschnitt seiner Reise führen würde. Er wusste auch, dass er schnell sein musste. Der Silberfuchs war das Opfer für sein eigenes Schicksal. Diesmal war die
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