Der Tod kommt in schwarz-lila
Monika.
»Es sind viele Alternativen denkbar«, warf Trevisan ein. »Angefangen beim Arzt, der ihn im Krankenhaus versorgte. Der Polizist, der ihn nach dem Mord am Vater verhaftete, der Richter, der ihn in die Psychiatrie eingewiesen hat. Wir werden eine Liste anfertigen. Wir gehen die Aufzeichnungen noch einmal Seite für Seite durch und notieren alle Personen, die mit ihm zu tun hatten.«
»Das können aber sehr viele sein«, sagte die Profilerin. »Es wäre auch denkbar, dass ein Arzt oder ein Pfleger aus der Anstalt in Frage käme.«
Trevisan wusste, dass er keine Möglichkeiten hatte, alle potentiellen Opfer beschatten zu lassen. Eines jedoch wusste er: Sörensen würde zu einem bestimmten Datum zuschlagen. Ein Datum, das ihm wichtig erschien. Der Mörder wusste, dass jetzt die Zeit gegen ihn arbeitete. Also musste das Datum in der nahen Zukunft liegen. Ein, zwei Wochen, nicht mehr. Es musste ein einschneidendes Erlebnis, eine massive Veränderung seiner Lebensumstände gewesen sein. Ein Datum, das sich untrennbar mit einem einzelnen Namen verbinden ließ.
Sie arbeiteten fieberhaft. Doch in der Akte stand lediglich, dass Sörensen nach dem Unfall mit starker Unterkühlung in das Krankenhaus nach Sanderbusch gebracht worden war. Dort war er bis zum 13. Juli geblieben. Die Namen der behandelnden Ärzte waren nicht erfasst. Aus dem Versicherungsbericht ging auch hervor, dass Sörensen nicht in Lebensgefahr geschwebt hatte. Trotzdem durften sie die Ärzte nicht außer Acht lassen. Es bestand die Möglichkeit, dass damals im Krankenhaus etwas vorgefallen war, das nicht in den Akten erwähnt wurde.
Dietmar Petermann nahm sich zusammen mit Tina Harloff dieser Geschichte an. Obwohl alle starken Zweifel daran hatten, dass nach dreizehn Jahren noch etwas herauszubekommen war.
Sörensen hatte seinen Vater am 10. Juni 1989 erstochen. Er war noch am gleichen Tage verhaftet und in Untersuchungshaft gebracht worden. Damit konnte Trevisan aber auch schon den Polizisten, der Sörensen festgenommen hatte, von der Liste streichen, denn für den Vatermord hatte der Wangerland-Mörder sein Opfer längst geholt. Horst Grevenstedt hatte dafür sterben müssen.
Ein Richter des Landgerichtes in Oldenburg hatte ihn am 13. Juli 1989 in das Psychiatrische Krankenhaus zur Untersuchung eingewiesen. Der Richter hieß Eigenrauch. Till Schreier bekam den Auftrag, mit ihm in Kontakt zu treten.
In der Anstalt hatte der zuständige Psychiater nach drei Tagen eine Beurteilung über Sörensen erstellt. Das Gutachten war von Doktor Gerhard Terberge unterzeichnet, dem damaligen Oberarzt der Psychiatrischen Landesklinik. Trevisan wusste von seinem Besuch in der Anstalt, dass Terberge bereits pensioniert war. Über die Klinik war leicht herauszufinden, wo er heute lebte. Monika Sander übernahm diesen Auftrag.
Am 18. Juli 1989 hatte ein weiterer Richter namens Kollmann aufgrund von Terberges Gutachten die Zwangseinweisung in die Psychiatrische Landesklinik durch einen entsprechenden Gerichtsbeschluss veranlasst. Demnach sollte Sörensen bis auf weiteres in der Klinik bleiben. Das Verfahren war damit abgeschlossen. Auch Richter Kollmann kam somit als Ziel des Wangerland-Mörders in Frage. Trevisan selbst würde sich darum kümmern.
Damit hatte Trevisan ihre weitere Strategie festgelegt. Er konnte nur hoffen, dass der Wangerland-Mörder ähnlich dachte wie er. Sein Gefühl sagte ihm, dass er mit seiner Einschätzung richtig lag. Als Trevisan an diesem Abend nach Hause ging, hatte er zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ein gutes Gefühl.
*
Seit zwei Stunden saß er am Seedeich und schaute hinüber zum Liegeplatz der Boote. Er hatte sich seinen Favoriten herausgesucht. Einige Bootsliegeplätze waren leer. Ein ganz bestimmtes Boot hatte er bei der Abfahrt beobachtet. Ein teures Boot. An Bord hatte sich der Silberfuchs befunden. Er war, wie erwartet, alleine aufgebrochen.
Er wartete noch, denn er hatte es nicht eilig. Den Zeitpunkt, an dem er zuschlagen würde, hatte das Schicksal schon vor langer Zeit bestimmt. Jetzt galt es Geduld zu haben und nicht aufzufallen. Bald würde es dunkel werden, dann kam seine Stunde. Er hatte einen Seesack bei sich. Darin befand sich, was er brauchte. Den Anzug würde er erst im Schutz der Nacht anlegen. Der alte Lütjens und die Tauchschule Kopersand waren eine Fügung Gottes gewesen. Beinahe wäre sein Plan fehlgeschlagen, aber er hatte starke Verbündete auf seiner Seite. Erst in der letzten Zeit spürte er,
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