Der Tod kommt in schwarz-lila
verabredet. Sie war nicht gekommen. Am nächsten Tag hatte ihn Friedrichs, der Aufseher, zu sich geholt und ihm klargemacht, dass so etwas nicht ging. Das Personal war tabu. Das war Gesetz in Westermarsch. Es hatte ihn schwer getroffen. Doch er hielt sich an Friedrichs Ermahnungen und vergaß Marianne. Schließlich wollte er nie wieder nach Wehnen zurück. Die hellgrün gestrichenen Gänge, die engen Zimmer, die Fenster, durch die immer nur Schatten fiel. Alleine der Gedanke daran machte ihn krank. Er hatte es lange genug ertragen.
Die Bremslichter des davonfahrenden Wagens rissen ihn aus seinen düsteren Gedanken. Er fluchte, weil er nicht aufgepasst hatte, und rannte zu seinem Fahrzeug. Der grüne Audi war in Richtung Eggelingen abgebogen.
Jetzt, wo er so dicht vor seinem Ziel stand, durfte er den Mann keine Minute mehr aus den Augen lassen. Er wollte in seiner Nähe sein. Wollte die letzten Tage des Mannes erleben, bis er sein Werk vollendete. Bald war es soweit. Träne für Träne, Blut für Blut.
Er startete den Motor. Der Anlasser orgelte ein paar Mal, dann war nur noch ein Klacken zu hören. Er schlug mit seinen Händen auf das Lenkrad und fluchte. Der kleine Finger der linken Hand schmerzte infernalisch. Es war paradox, wie konnte etwas schmerzen, das gar nicht mehr vorhanden war?
Er wartete eine Weile, dann versuchte er es erneut. Diesmal blieb es still. Auch die kleinen Kontrollleuchten im Armaturenbrett flackerten nur kurz auf, ehe sie wieder erloschen. Die Batterie. Sie hatte ihm schon ein paarmal Probleme gemacht. Hätte er sie nur ausgewechselt. Im Schuppen seines Unterschlupfes stand eine neue. Aber die Hammerschmidt-Villa war weit entfernt. Zornig stieg er aus. Allmählich wurde es dunkel und bald wäre nichts mehr zu sehen. Er öffnete die Motorhaube, doch alles schien an seinem Ort. Ratlos blickte er in das Gewirr aus Kabeln, Leitungen und Metall.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Erschrocken fuhr er herum. Ein älterer Herr stand vor ihm. Im Hintergrund erblickte er eine alte Frau.
Er fühlte sich ertappt und rang nach Worten. »Die … Der Wagen … Er springt nicht an … Die Batterie …«, stotterte er.
»Na, das haben wir gleich«, antwortete der Alte und ging auf einen Mercedes zu. Aus dem Kofferraum holte er ein Überbrückungskabel, dann rangierte er seinen Wagen aus der Parklücke und fuhr dicht an den Fiat heran.
»Arbeiten Sie hier?«, fragte die Frau, die bei ihm stehen geblieben war.
Er schüttelte den Kopf. Er spürte, wie die Frau ihn musterte. Ihre Blicke streiften über seine schwarze Jogginghose und die lila Jacke.
»Ich bin Student und wollte ein bisschen joggen«, erklärte er abweisend.
»Ach ja – laufen Sie viel?«
Noch bevor er antworten konnte, war ihr Mann aus dem Mercedes gestiegen. »Wo haben Sie die Batterie?«, rief ihm der Alte zu.
Er wies auf die linke Seite des Wagens und war froh, dass er sich nicht weiter mit der Frau unterhalten musste. In seinem Körper pochte und raste all die Wut und Verzweiflung, die in ihm steckte. »Nur weg hier!«, fuhr es ihm durch den Kopf.
Der alte Mann verkabelte die beiden Batterien, dann forderte er ihn auf zu starten.
Er setzte sich hinter das Steuer. Nach zwei vergeblichen Versuchen sprang der Wagen an. Er verbarg die aufkeimende Panik und riss sich zusammen.
Der alte Mann stieg aus seinem Wagen und löste die Kabel.
Erleichtert atmete er auf und kurbelte die Scheibe herunter. Er wollte sich bedanken, doch er bekam keinen Ton heraus. Ohne weitere Worte brauste er davon. Verdutzt blieb das Ehepaar zurück.
»Was ist das bloß für ein sonderbarer Kauz gewesen?«, sagte der Alte zu seiner Frau.
»Ich habe dir gleich gesagt, lass die Finger davon. Du kanntest ihn doch überhaupt nicht. Du mit deiner krankhaften Hilfsbereitschaft.
Das hast du nun davon. Eines Tages wird sie dich noch deinen Kopf kosten.«
Die Frau hatte keine Ahnung davon, wie nahe sie dem Abgrund gewesen waren.
*
Draußen zogen dunkle Wolken am Himmel auf. Die Temperaturen waren gefallen. Trevisan saß an seinem Schreibtisch. Ein paar Tageszeitungen lagen vor ihm.
Mordserie erschüttert das Wangerland, Vier Tote in zwei Tagen, Psychopath ermordet Fischer. Egal, welche Zeitung Trevisan in die Hand nahm, das Thema beherrschte die Schlagzeilen. »Die Polizei ist ratlos«, hieß es. Das Schlimmste daran war, dass die Journalisten sogar recht hatten. Zumindest was ihn betraf. Er schaute auf die Uhr, es war kurz nach vier. Draußen begann es zu
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