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Der Tod kommt in schwarz-lila

Titel: Der Tod kommt in schwarz-lila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefne
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außerdem treibt sich da draußen ein Psychopath herum, der wahllos Leute abschlachtet. Nein, das ist mein letztes Wort!«
    Aufgebracht warf er den Hörer auf die Gabel. Nicht nur, dass sie ihn aus dem Schlaf gerissen hatte, viel schlimmer war, dass Grit immer noch meinte, einfach über ihn und seine Gefühle bestimmen zu können. Das hatte schon früher nicht funktioniert.
    Damals, als sie sich trennten, hatte er ein schlimmes Jahr hinter sich. Auch für Paula war es nicht leicht gewesen. Inzwischen hatte er sein Leben neu geordnet. Ein Leben, das zu ihm passte. Paula war ein Teil dieses Lebens. Warum maßte sich Grit immer wieder an, sich in sein Leben einzumischen?
    Er brauchte zwei Stunden, um sich zu beruhigen. Es war zehn Uhr, als er in einen unruhigen Schlaf fiel.

 
     
7
    Unbeholfen tapste das kleine Kätzchen über die Wiese. Es mochte nur wenige Wochen alt sein. Ein lustiger schwarzer Fleck, ähnlich einer einsamen Insel im weiten Meer, umrahmte das linke Ohr auf dem ansonsten weißen Fell. Das Kätzchen jagte den Insekten hinterher, sprang mit ausgestreckten Tatzen in die Luft, überschlug sich, schüttelte sich, um anschließend einem anderen Schmetterling oder Käfer hinterherzuhetzen.
    Mit versteinerter Miene verfolgte er das Schauspiel. Dieses Kätzchen war ein bisschen so wie er. Auch er war in seinem Leben gestrauchelt, auch er war oft in eine tiefe Dunkelheit gestürzt. Doch immer wieder hatte er sich aufgerafft, immer wieder war er auf die Beine gekommen. Er verfolgte ein Ziel. Dafür lebte er.
    Gerne hätte er gelacht, hätte seine Freude über das putzige Tierchen hinausposaunt, doch er besaß kein Lachen mehr. Sie hatten es ihm vor langer Zeit genommen.
    Vielleicht würde er sich eines Tages neben ein anderes Kätzchen in die Wiese legen und mit ihm spielen und lachen und jauchzen und vor lauter Freude schreien, vielleicht. Doch vorher hatte er noch etwas zu erledigen.
    Er hatte alles über den Mann in Erfahrung gebracht. Er wusste, wann er morgens aufstand, wann er zur Arbeit ging, welchen Weg er fuhr. Er wusste, wie sehr er seine Frau und die Kinder liebte, wohin er mit ihnen ausging. Er wusste, wie er die Wochenenden verbrachte, wohin er fuhr und wo er gerne verkehrte. Er wusste alles. Alles, was er wissen musste, um zu tun, was zu tun war.
    *
    Er saß auf einer Bank und blickte hinüber auf das kleine behagliche Wirtshaus. Der Liekedeeler war gut besucht. Der Gasthof war berühmt für seine Fischspezialitäten.
    Der Mann hatte Urlaub und war mit seiner Frau und den Kindern nach Wilhelmshaven zum Einkaufen gefahren. Anschließend war er in dem kleinen Gasthaus am Stadtrand von Wittmund eingekehrt. Ein idyllisches Plätzchen. Weit ausladende Wiesen, eine Pferdekoppel und ein riesiger Spielplatz befanden sich direkt neben dem Gasthof. Die Temperaturen waren angenehm. Die Familie hatte draußen Platz genommen. Er konnte sie von seiner Bank aus sehen. Die Kinder schauten hinüber zu den Pferden. Der Mann und die Frau unterhielten sich und warfen einander verliebte Blicke zu. Es war schon seltsam. Obwohl die beiden schon lange verheiratet waren, schienen ihre Empfindungen die Jahre überdauert zu haben. Er wünschte sich auch jemanden, dem er so viel Liebe entgegenbringen konnte. Er war neidisch auf den Mann. Doch er hasste ihn nicht deshalb. Dieser Mann hatte Schuld auf sich geladen, hatte sich über die Grenze gewagt, sie überschritten, rücksichtslos. Das allein war der Grund. Der Frau und den Kindern würde es das Herz brechen. Doch das belastete ihn nicht.
    Er blickte auf die Uhr. Es war kurz vor neun. Die Dämmerung schlich sich von Osten über das flache Land. Das Abendrot färbte den Horizont. Wind kam auf. Er war ein bisschen auf und ab gelaufen, doch den Wagen des Mannes ließ er nicht aus den Augen. Er hatte mit ihm den heutigen Tag begonnen, nun wollte er ihn auch mit ihm beschließen. Vielleicht konnte er wenigstens auf diese Art ein wenig an dem Glück der Familie teilhaben. Wenngleich er es irgendwann zerstören musste. Es reizte ihn, hinüberzugehen und dem Mann in die Augen zu blicken, doch er verwarf den Gedanken.
    Plötzlich erhob sich das Paar und schlenderte auf den Parkplatz zu. Dort stand der Wagen. Ein grüner Audi. Die Frau rief ihre Kinder herbei. Lachend rannten sie zum Auto und der Mann gab seiner Frau einen Kuss.
    Die Frau war Mitte vierzig. Sie hieß Marianne. Marianne hieß auch ein Mädchen in Westermarsch. Sie war noch in der Ausbildung. Er hatte sich mit ihr

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