Der Tod kommt in schwarz-lila
Uhlenbruchs Büro strömte Licht durch einen Türspalt in den Flur. Verdutzt blieb er stehen und schob behutsam die Tür auf. Sein Blick fiel auf Alex, der hinter seinem Schreibtisch saß und eine Akte studierte. Unter der Sonnenbräune war sein Gesicht aschfahl vor Erschöpfung. Die sonst so sorgfältig mit Gel gestylten schwarzen Haare hingen ihm wirr in die Stirn.
»Alex, was machst du denn noch hier?«, fragte Trevisan.
Erschrocken blickte Uhlenbruch auf. »Martin, wieso bist du so früh im Büro?«
Trevisan erzählte ihm von dem grausigen Fund auf der Helge. Alex lauscht fassungslos. Schließlich berichtete er Trevisan von Straßbergs Flucht und der verstockten Patricia Maxdorf. Mittlerweile hatte er das Mädchen nach Hause bringen lassen. Es gab keinen ausreichenden Grund, sie weiter festzuhalten.
»Ich glaube, dass Straßberg etwas mit Gablers Tod zu tun hat«, erklärte Alex energisch und reichte Trevisan Straßbergs Kriminalakte.
Trevisan überflog die Seiten. Straßberg hatte schon einiges auf dem Kerbholz. Ein Mord war ihm durchaus zuzutrauen. Doch irgendwie war Trevisan skeptisch. Ihm kam es vor, als drehten sie sich im Kreis. Er konnte nicht genau sagen, was ihn an der Vorstellung störte, dass Straßberg der Täter sein sollte. Auf der anderen Seite, was steckte hinter dessen Flucht? Doch welchen Bezug konnte Straßberg zur Besatzung der Helge haben? Wo waren die Berührungspunkte? Gabler, Maxdorf, Hansen, Willemsen, Mijboer und Straßberg. Ergab diese Kombination ein Muster? Gab es Gemeinsamkeiten? Trevisan wähnte sich in einem Labyrinth.
»Wir müssen diesen Straßberg auf alle Fälle zu fassen kriegen«, bekräftigte Alex. »Das Material ist noch ein bisschen dürftig, aber für eine Fahndung reicht es.«
Trevisan blickte auf die Wanduhr. Es war fünf nach sechs. Draußen hatte es erneut zu regnen begonnen. »Ich denke, es ist das Beste, wenn wir jetzt nach Hause gehen. Schlaf dich erst mal aus. Wir können jetzt doch nichts tun. Wir treffen uns heute Mittag um zwei.«
Eine Stunde später fiel Trevisan hundemüde in sein Bett.
*
Er träumte. Bunte Bilder bewegten sich in seinem Kopf. Er drehte sich herum, doch das Klingeln hörte nicht auf. Langsam wurde er wach. Er griff nach dem Telefonhörer. Es war drei Minuten vor acht. »Trevisan«, meldete er sich verschlafen.
»Endlich bekomme ich dich mal zu fassen. Du bist ja nur noch unterwegs. Im Büro heißt es immer nur, du bist auf Ermittlungen, du darfst nicht gestört werden.«
Seine Frau. Das hatte ihm noch gefehlt.
»Hast du überhaupt noch Zeit für deine Tochter, Martin?«
Dieser vorwurfsvolle Unterton hatte ihm noch nie behagt. »Grit, ich bin hundemüde. Ich schlafe erst seit einer Stunde. Bitte, lass uns …«
»Das könnte dir so passen. Wir reden jetzt! Paula hat mich angerufen und mir erzählt, dass du sie nicht mit auf einen Ausflug lässt. Seit Tagen versuche ich dich vergeblich zu erreichen. Auf der einen Seite spielst du den fürsorglichen Vater, auf der anderen Seite lässt du sie allein. Was ist in dich gefahren?«
»Grit, ich bin jetzt wirklich nicht dazu aufgelegt, über …«
»Du hast dich kein bisschen geändert. Immer denkst du nur an dich. Ich hätte Paula damals nicht zu dir zurückkehren lassen sollen. Ich merke immer mehr, dass es dich überfordert. Wenn es dir passt, dann sperrst du sie in einen goldenen Käfig, ansonsten überlässt du sie sich selbst.«
Martin Trevisan schluckte seinen aufkeimenden Ärger herunter. Seit einem Monat hatte sich seine Exfrau nicht mehr gemeldet und ausgerechnet jetzt bildete sie sich ein, die treu sorgende Mutter spielen zu können. »Ich weiß nicht, was du überhaupt willst«, sagte er mit erzwungener Ruhe.
»Was ich will? Du fragst, was ich will? Ich will, dass du deinen Verpflichtungen als Vater nachkommst. Das will ich. Das bist du ihr schuldig. Wenn du dich nicht richtig um sie kümmerst, dann … dann …«
»Dann komm hierher und hol sie ab!«, schrie Trevisan ins Telefon. »Ich stecke mitten in einer Mordermittlung!«
»Du weißt genau, dass ich keine Zeit dafür habe. Ich muss in den nächsten Wochen nach Stockholm. Das ist wichtig für mich. Lass sie doch einfach mit auf den Ausflug. Dann ist dir und ihr geholfen. Sei doch nicht so stur.«
»Ich bin nicht stur. Wenn ich mich richtig erinnere, dann lebt Paula bei mir, weil du keine Zeit für sie hattest. Also wird sie auch tun, was ich für richtig halte. Die Nordsee ist für eine Bootstour zu gefährlich und
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