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Der Tod kommt in schwarz-lila

Titel: Der Tod kommt in schwarz-lila Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefne
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deutlich in seinen Ohren. »Es wird alles gut«, hatte er gesagt, als die Riesen neben ihn getreten waren. Liebe, Hass, Schmerz und grenzenlose Leere. Kein Gefühl war ihm so schmerzhaft in Erinnerung geblieben wie diese bohrende Ungerechtigkeit.
    Wenn sie ihn auch umgarnt, ihm geschmeichelt hatten und mit glasigen Worten zur Umkehr zwingen wollten, er war keinen Millimeter von seinem Weg abgewichen. Äußerlich hatte er sich vor ihnen gebeugt, aber innerlich hatte er über sie gelacht.
    Es war nicht immer leicht gewesen, diese Fassade nach außen zu bewahren. Doch er hatte es geschafft. Er hatte ihnen mit offenen Augen über die Schultern geschaut, hatte gelernt, das wilde Tier zu bezähmen. Er wurde nicht mehr beherrscht, er selbst war zum Beherrscher geworden.
    Als er die Schranktür öffnete, stellte er fest, dass nur noch zwei Scheiben Brot in der Tüte lagen. Das Geld war ihm gestern schon ausgegangen. Wenigstens war der Tank im Wagen noch voll. Es war Wochenende. Es gab genügend Möglichkeiten, an Essen und Geld zu kommen. Er würde die Nacht nutzen und sich noch einmal ordentlich eindecken. Er hatte Lust auf einen echten Matjessalat. Mutter hatte ihn immer gemacht. Sie hatte den besten Matjessalat der Welt gemacht. Er beneidete das kleine, blaue Gesicht. Mutter würde alles für das blaue Gesicht tun. Bestimmt saßen sie zu Tisch und Mutter kochte ihre Spezialitäten.
    Erinnerungen an seine Kindheit schossen ihm durch den Kopf. Er musste lachen. Er erinnerte sich daran, wie er und sein Bruder über die Dünen gelaufen waren und Torben schließlich mitten in ein Schlammloch gestürzt war. Über und über mit diesem grauen Schlamm bedeckt war er wieder aufgetaucht. Mutter hatte geflucht und es am Abend Vater erzählt. Drei Tage Stubenarrest hatte es gegeben.
    Wo war Torben überhaupt? Nur einmal hatte er ihn besucht. Ein einziges Mal war er in all den Jahren zu ihm gekommen. Er war noch immer böse mit ihm. Dabei war Torben damals so schnell gegangen, dass er keine Chance gehabt hatte, ihn zurückzuhalten. Er hatte es noch versucht. Er konnte nichts dafür, dass sie näher bei ihm war. Er hatte sie geliebt, doch auch für Torben hatte er Liebe empfunden. Er würde auch ihn von seinen Fesseln befreien. Dann wären sie alle wieder vereint. Sie würden das entgangene Leben nachholen, das ihnen die anderen noch schuldeten. Er freute sich wie ein Kind auf diesen Augenblick.
    *
    Monika Sander hatte Till Schreier gestern den Zettel in die Hand gedrückt und ihn gefragt, ob er sich darum kümmern könnte. Er hatte sofort zugestimmt. An diesem Wochenende war er an der Reihe, seinen Beitrag zu leisten. Es kam ihm nicht ungelegen. Er brauchte etwas Abstand. Der Tod seines Vaters lag noch immer wie ein Schatten über der Familie. Er wusste, dass dies noch eine ganze Weile so weitergehen konnte. »Wie sehr ein Mensch gebraucht wird und wie selbstverständlich seine Nähe oftmals ist, merken wir erst, wenn er gegangen ist«, hatte ihm Trevisan in den letzten Tagen gesagt und er hatte recht damit.
    Auf der Fahrt nach Wittmund war Till so manches durch den Kopf gegangen. Vielleicht wäre es gut, einen Kurzurlaub einzuschieben. Doch er hatte den Gedanken wieder verworfen.
    Als er vor der angegebenen Adresse anhielt und auf das kleine Einfamilienhaus zuging, kam ein großer, schwarzer Hund auf ihn zugelaufen. Till war froh über den hohen Zaun, der das Grundstück einfasste. Der Hund bellte wild und fletschte die Zähne. Tills Blick fiel auf den goldfarbenen Klingelknopf am Türpfosten. Lenz stand auf einem kleinen Schild. Er klingelte und wartete, bis sich die Haustür öffnete.
    Ein alter Mann in grauer Strickjacke erschien und sah ihn misstrauisch an. »Moritz, ruhig, komm her!«, schrie er streng. Der Hund gehorchte und gab seine drohende Haltung auf. Er trollte sich und verschwand hinter der Hausecke.
    »Guten Tag, Herr Lenz«, rief Till über den Zaun. »Ihre Frau hat bei uns angerufen. Ich bin von der Polizei.«
    Der Mann kam näher. Till präsentierte seine Dienstmarke.
    »Sie hat also doch angerufen«, sagte der Alte etwas erstaunt und öffnete die Gartentür. Till Schreier trat ein. Seine Augen flogen umher und suchten nach dem Hund.
    Lenz registrierte Schreiers unsicheren Blick und sagte: »Keine Angst, der Hund tut Ihnen nichts.«
    Till kannte diese leeren Versprechungen und war erst beruhigt, als sie endlich das Haus betraten und die Tür ins Schloss fiel.
    »Sie ist verrückt«, sagte Lenz und führte Till in die

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