Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
Mr. Wickham?«
»Er war vollkommen verstört, und danach zu urteilen, wie er sprach und aus dem Mund roch, hatte er wohl sehr viel getrunken. Captain Dennys Gesicht war blutverschmiert, und auch Mr. Wickham hatte Blut an Gesicht und Händen – wahrscheinlich, weil er seinen Freund angefasst hatte.«
»Hat Mr. Wickham etwas gesagt?«
»Ja.«
»Was sagte er?«
Da war sie, die gefürchtete Frage, und einige entsetzliche Sekunden lang konnte er keinen Gedanken mehr fassen. Schließlich sah er Cartwright an und sagte: »Ich glaube mich an den genauen Wortlaut und vielleicht sogar an die exakte Reihenfolge zu erinnern, Sir. Soweit ich mich entsinne, sagte er: ›Ich habe ihn getötet. Es ist meine Schuld. Er war mein Freund, mein einziger Freund, und ich habe ihn getötet.‹ Dann sagte er noch einmal: ›Es ist meine Schuld.‹«
»Wie haben Sie seine Worte damals verstanden?«
Darcy spürte, dass alle im Saal auf seine Antwort warteten. Er ließ den Blick zum Richter hinübergleiten, der nun langsam die Augen öffnete und ihn ansah. »Beantworten Sie die Frage, Mr. Darcy!«
Erst jetzt wurde ihm mit Entsetzen bewusst, dass er mehrere Sekunden geschwiegen haben musste. An den Richter gewandt, sprach er weiter. »Ich hatte einen völlig verzweifelten Mann vor mir, der neben der Leiche seines Freundes kniete. Meinem Verständnis nach hatte Mr. Wickham sagen wollen, dass sein Freund nicht umgebracht worden wäre, wenn es nicht irgendeine Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen gegeben hätte, die Captain Denny veranlasste, auszusteigen und in den Wald zu laufen. Das war mein erster Gedanke. Ich sah keine Waffen. Ich wusste, dass Captain Denny kräftiger war als Mr. Wickham und eine Waffe bei sich gehabt hatte. Wenn Mr. Wickham seinem Freund ohne ein Licht oder eine Waffe in den Wald gefolgt wäre, um ihn zu töten, hätte das den Gipfel der Torheit bedeutet. Im dichten Strauchwerk und zwischen den Bäumen hätte er, nur vom Mondlicht geführt, nicht einmal sicher sein können, seinen Freund überhaupt zu finden. Meinem Gefühl nach konnte diesen Mord nicht Mr. Wickham begangen haben, weder im Affekt noch vorsätzlich.«
»Sahen oder hörten Sie irgendjemanden außer Lord Hartlep und Mr. Alveston, als Sie den Wald betraten oder am Tatort selbst?«
»Nein, Sir.«
»Sie sagen demnach unter Eid aus, dass Mr. Wickham beim Auffinden der Leiche von Captain Denny neben dieser kniete und nicht nur einmal, sondern zweimal äußerte, er sei für den Mord an seinem Freund verantwortlich?«
Es blieb lange still. Zum ersten Mal im Leben fühlte sich Darcy wie ein geködertes Tier. »Das sind die Tatsachen, Sir«, sagte er schließlich. »Sie fragten mich, welche Bedeutung diese Tatsachen damals hatten. Ich habe Ihnen erklärt, was ich damals glaubte und bis heute glaube, nämlich dass Mr. Wickham keinen Mord gestand, sondern die Wahrheit sprach, welche darin besteht, dass Captain Denny seinem Mörder niemals begegnet wäre, hätte er die Kutsche nicht verlassen und sich in den Wald begeben.«
Doch Mr. Cartwright war noch nicht fertig. Er schlug nun einen anderen Kurs ein, indem er fragte: »Hätten Sie Mrs. Wickham empfangen, wenn sie unerwartet und ohne Ankündigung in Pemberley eingetroffen wäre?«
»Ja.«
»Sie ist allerdings auch Mrs. Darcys Schwester. Hätten Sie ebenso Mr. Wickham empfangen, wenn er unter denselben Umständen angereist wäre? Waren Mrs. Wickham und er zum Ball eingeladen?«
»Das ist eine hypothetische Frage, Sir. Es gab keinen Grund, sie einzuladen. Wir hatten seit einiger Zeit keine Verbindung mehr zueinander, und ich wusste nicht einmal, wo sie wohnten.«
»Ihre Antwort ist nicht ganz aufrichtig, Mr. Darcy. Hätten sie das Ehepaar eingeladen, wenn Ihnen die Adresse bekannt gewesen wäre?«
Jeremiah Mickledore stand auf und sagte zum Richter: »My Lord, welche Bedeutung sollte Mrs. Darcys Gästeliste für den Mord an Captain Denny zukommen? Jeder von uns hat das Recht, einzuladen, wen er will, ob es sich nun um Verwandte handelt oder nicht, ohne vor Gericht die Gründe dafür angeben zu müssen, solange die Einladung keinerlei Relevanz für den Prozess besitzt.«
Der Richter löste sich aus seiner starren Haltung und sagte in überraschend entschiedenem Ton: »Gibt es einen Grund für Ihre Frage, Mr. Cartwright?«
»Durchaus, My Lord. Es geht darum, die mögliche Beziehung zwischen Mr. Darcy und seinem Schwager ein wenig zu beleuchten und den Geschworenen auf indirektem
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