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Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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den Schilderungen ergaben und etwas entstand, das der gespannten Erwartung im Theater recht nahe kam. Doch war nicht jeder Mordprozess eine Art Volksbelustigung? Die ihren Rollen entsprechend kostümierten Akteure, die ungenierten Kommentare, die Vorfreude auf das Erscheinen der im nächsten Bild zu erwartenden Figuren und schließlich der dramatische Höhepunkt, wenn der Hauptdarsteller sich von der Anklagebank erhob, aus der ein Entkommen erst in der Schlussszene möglich war: Leben oder Tod. Dies war angewandtes englisches Recht, ein in ganz Europa hochangesehenes Recht – und wie hätte eine solche Entscheidung in ihrer ganzen schrecklichen Endgültigkeit auch gerechter getroffen werden können? Man hatte ihn, Darcy, unter Strafandrohung vorgeladen, doch als er den Blick nun durch den überfüllten Gerichtssaal wandern ließ, über die bunten Kleider und Lockenfrisuren der Mondänen und die Schäbigkeit der Armen, schämte er sich, einer von ihnen zu sein.
    Als Nächster sollte George Pratt aussagen. Im Zeugenstand wirkte er älter, als Darcy ihn in Erinnerung hatte. Seine Kleidung war sauber, aber nicht neu, und offensichtlich hatte er sich kurz zuvor die Haare gewaschen, denn sie standen ihm in hellen Borsten steif vom Kopf ab, so dass sein Gesicht versteinert wirkte wie das eines Clowns. Er sprach den Eid sehr langsam, den Blick auf das Blatt Papier gerichtet, als lese er etwas in einer Fremdsprache Verfasstes ab. Dann sah er Cartwright mit dem flehenden Blick eines kindlichen Übeltäters an.
    Der Staatsanwalt hielt hier offenbar Freundlichkeit für das wirksamste Mittel. »Sie sind vereidigt worden, Mr. Pratt, was bedeutet, dass Sie geschworen haben, diesem Gericht gegenüber sowohl in Ihren Antworten auf meine Fragen als auch in allen anderen Äußerungen die Wahrheit zu sagen. Ich möchte, dass Sie dem Gericht jetzt mit eigenen Worten erzählen, was sich in der Nacht des 14. Oktober zugetragen hat.«
    »Ich sollte die beiden Gentlemen, Mr. Wickham und Captain Denny, und Mrs. Wickham in Mr. Piggotts Kutsche nach Pemberley bringen, die Dame dort absetzen und die Gentlemen nach Lambton zum King’s Arms fahren. Aber Mr. Wickham und der Captain kamen nie bis nach Pemberley, Sir.«
    »Ja, das wissen wir. Wie sollten Sie nach Pemberley fahren? Durch welches Tor sollten Sie das Anwesen erreichen?«
    »Durch das Nordwesttor, Sir, und dann über den Waldweg.«
    »Und was geschah? Gab es Schwierigkeiten beim Passieren des Tors?«
    »Nein, Sir. Jimmy Morgan kam und öffnete es. Er sagte zwar, niemand darf durch, aber er kannte mich ja, und als ich sagte, dass ich Mrs. Wickham zum Ball bringen soll, ließ er uns durch. Ungefähr eine halbe Meile hinter dem Tor klopfte einer der Gentlemen – es war Captain Denny, glaube ich – und sagte, ich soll anhalten, was ich auch tat. Er stieg aus und lief in den Wald. Dabei schrie er, dass er nichts mehr davon wissen will und dass Mr. Wickham jetzt auf sich gestellt ist.«
    »Sagte er das genau so?«
    Pratt überlegte. »Ganz sicher bin ich mir nicht, Sir. Vielleicht sagte er auch: ›Du bist jetzt auf dich gestellt, Wickham, ich will nichts mehr davon wissen.‹«
    »Und dann?«
    »Dann stieg Mr. Wickham aus und rief, Denny wäre ein Idiot und solle zurückkommen, aber er kam nicht zurück. Da lief ihm Mr. Wickham nach, in den Wald hinein. Dann stieg die Dame aus und rief, er soll zurückkommen und sie nicht alleinlassen, aber er achtete nicht darauf. Als er im Wald verschwand, stieg sie wieder ein und begann erbärmlich zu weinen. Tja, da standen wir nun, Sir.«
    »Dachten Sie nicht daran, auch in den Wald zu laufen?«
    »Nein, Sir, ich konnte doch Mrs. Wickham nicht alleinlassen und die Pferde auch nicht, deshalb bin ich geblieben. Aber nach einiger Zeit fielen Schüsse, und Mrs. Wickham begann zu schreien und sagte, wir würden alle umgebracht werden, und ich soll nach Pemberley fahren, so schnell ich kann.«
    »Fielen die Schüsse in der Nähe?«
    »Das weiß ich nicht, Sir. Jedenfalls nahe genug, dass man sie deutlich hören konnte.«
    »Wie viele haben Sie gehört?«
    »Drei oder vier, genau weiß ich es nicht mehr.«
    »Was geschah dann?«
    »Dann brachte ich die Pferde mit der Peitsche zum Galoppieren, und wir fuhren nach Pemberley. Die Dame hat ununterbrochen geschrien. Als wir vor dem Haus vorfuhren, fiel sie fast aus der Kutsche. Mr. Darcy und einige andere standen schon an der Tür. Wer genau, weiß ich nicht mehr, aber ich glaube, es waren zwei

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