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Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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hier der mitfühlende Friedensrichter, dort der strenge Gesetzeshüter, wobei der Unterschied zwischen beiden noch durch Hardcastles scheinbar treffenden Nachnamen – Hartschloss – verstärkt wurde. Die Dienerschaft folgte dem Beispiel ihres jeweiligen Herrn, so dass sich der Groll und die Feindseligkeit zwischen den beiden Häusern gewissermaßen vom Vater auf den Sohn übertrugen. Erst Darcys Vater versuchte, nachdem er die Nachfolge angetreten hatte, den Streit beizulegen, wenn auch erst auf dem Sterbebett. Er beschwor seinen Sohn, alles zu tun, damit der Friede wiederhergestellt würde, da eine Fortsetzung der bestehenden Feindschaft weder dem Recht noch den guten Beziehungen zwischen den beiden Familien diene. Darcy, gehemmt durch seine zurückhaltende Art und die Überzeugung, dass die öffentliche Erörterung eines Streits dessen Existenz nur bestätigte, wählte einen raffinierteren Weg und ließ Hardcastle Einladungen zur Jagd und gelegentlich auch zu einem Familiendinner zukommen, die dieser tatsächlich annahm. Vielleicht war auch ihm zunehmend bewusst geworden, wie gefährlich sich die anhaltende Feindschaft auswirken konnte. So war es zwar zu einer Annäherung, nicht aber zu Vertrautheit gekommen. Darcy würde im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Problem in Hardcastle einen gewissenhaften und ehrlichen Friedensrichter finden, nicht aber einen Freund.
    Das Pferd schien sich ebenso sehr über die frische Luft und die Bewegung zu freuen wie sein Reiter, und nach einer halben Stunde stieg Darcy vor Hardcastle House ab. Sir Selwyns Vorfahr hatte sein Baronat unter der Herrschaft Königin Elizabeths erhalten, und zu jener Zeit war auch das Haus errichtet worden, ein großes, weitläufiges, labyrinthartiges Gebäude mit sieben hohen Tudor-Kaminen, die einem Wahrzeichen gleich über die hohen Ulmen hinausragten, von denen das Haus wie mit einem Schutzwall umgeben war. Im Inneren drang nur wenig Licht durch die kleinen Fenster in die niedrigen Räume. Der Vater des gegenwärtigen Baronets hatte unter dem Eindruck der Bautätigkeit seiner Nachbarn einen eleganten, allerdings nicht zum Haupthaus passenden Seitenflügel errichten lassen, der inzwischen nur mehr selten zu anderen Zwecken als der Unterbringung von Personal genutzt wurde. Sir Selwyn zog das elisabethanische Gebäude vor, obwohl es unkomfortabel war.
    Als Darcy an der Klingelkette zog, ertönte ein schrilles Geräusch, dessen Lautstärke wohl das ganze Haus weckte. Sekunden später wurde die Tür von Buckle geöffnet, Sir Selwyns altem Butler, der offenbar genau wie sein Herr gänzlich ohne Schlaf auskam, denn er war dafür bekannt, zu jeder Tages- und Nachtzeit im Dienst zu sein. Sir Selwyn und Buckle waren unzertrennlich. Die Stelle des Butlers galt bei den Hardcastles als erblich, da schon Buckles Vater und Großvater sie innegehabt hatten. Die Angehörigen dieser Familie wiesen über die Generationen hinweg eine bemerkenswerte Ähnlichkeit miteinander auf – alle Buckles waren gedrungen, grobschlächtig, hatten lange Arme und das Gesicht einer gutmütigen Bulldogge. Buckle nahm Darcy den Hut und die Reitjacke ab und bat, obwohl er den Besucher gut kannte, um seinen Namen. Dann forderte er ihn wie immer auf zu warten, damit er ihn seinem Herrn melden könne. Es schien ewig zu dauern, doch schließlich näherten sich die schweren Schritte wieder, und der Butler verkündete: »Sir Selwyn ist im Rauchsalon, Sir. Wenn Sie mir folgen wollen …«
    Sie durchquerten die große Eingangshalle mit dem hohen Kuppeldach, dem durch zahlreiche Sprossen unterteilten Fenster, der beeindruckenden Rüstungssammlung und dem an der Wand hängenden alten, schon leicht modrigen Hirschkopf. Die Halle beherbergte auch die Familienporträts, deren erstaunlicher Anzahl und Größe wegen sich die Hardcastles im Laufe der Zeit einiges Ansehen bei den benachbarten Familien erworben hatten – ein Ansehen, das eher auf Quantität denn Qualität beruhte. Jeder Baronet hatte mindestens eine maßgebliche Behauptung oder Auffassung hinterlassen, mit der er seine Nachfahren belehrte respektive belästigte, darunter die erstmals von einem Sir Selwyn aus dem 17. Jahrhundert stammende Überzeugung, dass es reine Geldverschwendung sei, teure Maler mit dem Porträtieren weiblicher Familienmitglieder zu beauftragen. Um die Ansprüche der Ehemänner und die Eitelkeit ihrer Frauen zu befriedigen, reiche es völlig aus, wenn der Maler ein gewöhnliches Gesicht hübsch und ein

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