Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
wie ich hoffe. Das Hausmädchen Belton und Mrs. Reynolds sind bei ihr. Ich mache es mir in der Bibliothek bequem und überprüfe Mrs. Wickhams Zustand später noch einmal. Hilfe brauche ich nicht – ich komme allein zurecht.«
Elizabeth dankte ihm herzlich und bestätigte, dass seine Vorschläge ihren Wünschen entsprachen. Als der Arzt in Begleitung von Jane hinausgegangen war, traten Bingley und Elizabeth wieder ans Fenster.
»Wir dürfen die Hoffnung, dass alles gut ist, nicht aufgeben«, sagte Bingley. »Vielleicht hat ein Wilddieb, der hinter Kaninchen her war, die Schüsse abgefeuert oder Denny hat einen Warnschuss abgegeben, weil er jemanden im Wald herumschleichen sah. Wir dürfen uns jetzt nicht in Hirngespinsten verlieren. Was sollte einen Menschen, der böse Absichten gegen Wickham oder Denny hegt, in den Wald gelockt haben?«
Elizabeth schwieg. Selbst die vertraute, sosehr geliebte Landschaft erschien ihr jetzt fremd; wie geschmolzenes Silber wand sich der Fluss unter dem Mond, bis ein plötzlicher Windstoß das Wasser erzittern ließ. Die Straße durchschnitt eine scheinbar endlose Leere in einer geisterhafen, unheimlichen Szenerie, in der kein Menschenwesen leben und sich regen konnte.
Genau in dem Moment, als Jane zurückkehrte, tauchte endlich, zuerst nur als bewegter, vom schwachen Flackern der fernen Lichter umgrenzter Umriss, die Kutsche auf. Sie widerstanden der Versuchung, zur Tür zu laufen, und blieben angespannt wartend stehen.
Es gelang Elizabeth nicht, die Verzweiflung in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Sie kommen nur langsam voran. Wenn alles gut wäre, würden sie schneller fahren.«
Es hielt sie nicht länger am Fenster. Kaum hatte sie den Gedanken ausgesprochen, rannte sie los. Jane und Bingley liefen mit ihr die Treppe hinunter. Stoughton hatte die Kutsche offenbar durch das Fenster im Erdgeschoss gesehen, denn die Eingangstür stand bereits offen. »Wäre es nicht klüger, ins Musikzimmer zu gehen, Madam?«, fragte er. »Mr. Darcy wird Ihnen gleich nach seinem Eintreffen alles berichten. Es ist zu kalt, um hier draußen zu stehen, und keiner von uns kann etwas tun, bevor die Kutsche da ist.«
»Mrs. Bingley und ich möchten aber an der Tür warten, Stoughton«, erklärte Elizabeth.
»Wie Sie wünschen, Madam.«
Elizabeth, Jane und Bingley traten in die Nacht hinaus und blieben vor dem Portal stehen. Keiner sagte etwas, bis die Kusche nur mehr wenige Schritte entfernt war und sie sahen, was sie befürchtet hatten – eine verhüllte Gestalt auf der Trage. Ein heftiger Windstoß wirbelte Elizabeths Haar auf. Ihre Beine gaben nach, doch sie konnte sich an Bingley festhalten, der ihr stützend den Arm um die Schulter legte. In diesem Moment wurde ein Zipfel der Decke vom Wind hochgerissen und gab den Blick auf eine rote Offiziersjacke frei.
Colonel Fitzwilliam sagte zu Bingley: »Du kannst Mrs. Wickham melden, dass ihr Mann am Leben ist. Am Leben, aber kein Anblick. Captain Denny ist tot.«
»Erschossen?«, fragte Bingley.
Die Antwort erhielt er von Darcy. »Nein, nicht erschossen.« Darcy wandte sich an Stoughton. »Holen Sie die Schlüssel zur Waffenkammer und aller Schränke darin. Colonel Fitzwilliam und ich tragen die Leiche über den nördlichen Hof und legen sie auf den Tisch in der Waffenkammer.« Zu Bingley sagte er: »Du bringst Elizabeth und Mrs. Bingley bitte ins Haus. Es gibt hier nichts zu tun für sie, und wir müssen Wickham aus der Kutsche holen. Es würde die Damen nur verstören, wenn sie ihn in seinem derzeitigen Zustand sähen. Er muss so schnell wie möglich ins Bett.«
Elizabeth fragte sich, warum der Colonel und ihr Mann offenbar nicht bereit waren, die Trage abzusetzen. Wie angewurzelt blieben sie stehen, bis Stoughton wenig später zurückkehrte und ihnen die Schlüssel übergab. Dann durchschritten sie fast feierlich den Hof und verschwanden hinter dem Haus, wo sich die Waffenkammer befand. Stoughton war ihnen vorausgegangen wie ein bestellter Totenkläger.
Die Kutsche geriet nun in heftige Bewegung, und zwischen den Windböen hörte Elizabeth Wickhams wüstes, unzusammenhängendes Gebrüll, die Flüche, die er seinen Rettern, sie der Feigheit zeihend, entgegenschleuderte. Warum hatten sie den Mörder nicht ergriffen? Sie hatten doch eine Waffe dabeigehabt und damit umzugehen gewusst! Er selbst hatte es ja mit ein, zwei Schüssen versucht und wäre jetzt dort, wenn sie ihn nicht verschleppt hätten. Es folgte ein wahrer Schwall von
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