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Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Charles hat von einem Unfall gesprochen. War es ein Unfall?«
    Darcy erwiderte sanft: »Meine Liebe, wir müssen warten, bis die Ärzte die Leiche untersucht haben und uns mitteilen, auf welche Weise Captain Denny zu Tode kam. Alles andere wäre reine Spekulation.«
    »Es könnte also ein Unfall gewesen sein?«
    »Das ist eine tröstliche Hoffnung, aber ich glaube, was ich glaubte, als ich die Leiche zum ersten Mal sah – dass Captain Denny ermordet wurde.«

4
    F ünf Minuten später wartete Elizabeth mit Darcy an der Eingangstür darauf, dass das Pferd aus dem Stall gebracht wurde, und ging erst wieder hinein, als es in Galopp gefallen und mit der mondhellen Dunkelheit verschmolzen war. Es würde ein beschwerlicher Ritt werden, denn dem Wind, der seine größte Heftigkeit verloren hatte, war peitschender Regen gefolgt. Aber es musste nun einmal sein. Darcy war einer der drei Friedensrichter von Pemberley und Lambton, durfte sich aber nicht an den Ermittlungen beteiligen und hatte die Pflicht, unverzüglich einen seiner Kollegen von Dennys Tod zu benachrichtigen. Elizabeth hoffte ebenfalls, dass die Leiche noch vor Tagesanbruch, wenn Darcy und sie der erwachten Dienerschaft von dem Vorfall erzählen mussten, aus Pemberley fortgeschafft sein würde. Auch Mrs. Wickhams Anwesenheit bedurfte einer Erklärung, und Lydia selbst würde wohl kaum Diskretion walten lassen. Darcy war ein guter Reiter, den auch ein nächtlicher Ritt bei schlechtem Wetter nicht schrecken konnte, doch schon während sie noch mit zusammengekniffenen Augen den letzten aufzuckenden Schatten des galoppierenden Pferds auszumachen versuchte, kämpfte sie gegen die unsinnige Angst an, dass vor seiner Ankunft bei Hardcastle etwas Schreckliches passieren könnte und sie ihn niemals wiedersähe.
    Darcy empfand den Ritt in die Nacht als ein Entkommen in eine befristete Freiheit. Obwohl seine Schultern noch vom Gewicht der Trage schmerzten und er an Geist und Körper erschöpft war, erlebte er den frischen Wind und den kalten Regen im Gesicht als wohltuend. Sir Selwyn Hardcastle war zwar der einzige Friedensrichter, den man immer in seinem acht Meilen von Pemberley entfernt gelegenen Haus antraf, auch der einzige, der den Fall übernehmen konnte und dies obendrein gern tun würde, aber nicht der Kollege, den Darcy sich ausgesucht hätte. Doch Josiah Clitheroe, den dritten zuständigen Friedensrichter, hatte die Gicht außer Gefecht gesetzt, ein Leiden, das nicht nur schmerzhaft, sondern auch unverdient war, da der Doktor zwar durchaus eine Schwäche für gutes Essen hatte, doch niemals Portwein trank, der als Hauptursache der lähmenden Krankheit galt. Dr. Clitheroe war ein hervorragender Jurist, dessen Ruf weit über die Grenzen seiner Heimat Derbyshire hinausreichte. Deshalb wurde er auch als eine Bereicherung des Gerichts angesehen, obwohl man seine Weitschweifigkeit fürchtete, die seiner Überzeugung entstammte, die Stichhaltigkeit eines Urteils stehe in direktem Verhältnis zur Länge der Zeit, die man benötigte, um es zu fällen. Jedes Detail eines Falls, mit dem er befasst war, wurde eingehend untersucht, frühere Fälle wurden herangezogen und debattiert und die einschlägigen Gesetze vorgetragen. Und wenn die Aussprüche eines Philosophen der Antike – vorzugsweise Sokrates und Platon – der Verhandlung Gewicht zu verleihen versprachen, wurden sie prompt zitiert. Doch trotz der umständlichen Vorgangsweise fielen seine Entscheidungen immer einleuchtend aus, und nur wenige Angeklagte wären sich nicht aufs Ungerechteste benachteiligt vorgekommen, wenn Dr. Clitheroe ihnen die Ehre eines mindestens einstündigen unverständlichen Vortrags verweigert hätte.
    Dr. Clitheroes Erkrankung kam Darcy nun besonders ungelegen. Sir Selwyn Hardcastle und er respektierten einander zwar als Friedensrichter, standen sich aber als Kollegen nicht eben nahe, und die Feindschaft zwischen den beiden Familien hatte erst ein Ende gefunden, als Pemberley auf Darcys Vater überging. Die Zwistigkeit reichte bis in die Zeit von Darcys Großvater zurück, als Patrick Reilly, ein junger Dienstbote in Pemberley, beschuldigt worden war, ein Reh aus dem Wildpark des damaligen Sir Selwyn gestohlen zu haben, und schließlich gehängt wurde.
    Die Dorfbewohner von Pemberley zeigten sich empört über die Hinrichtung und hießen es gut, dass Mr. Darcy das Leben des Burschen hatte retten wollen. So waren sie in ihre öffentlich festgeschriebenen Rollen gezwungen worden –

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