Der Tod kommt nach Pemberley: Kriminalroman (German Edition)
heimlich? Hatte ihn irgendein Ereignis dazu gezwungen? Darcy versuchte, es sich wieder einigermaßen bequem zu machen, sagte sich, dass er den schon bestehenden Rätseln nicht ein weiteres hinzufügen müsse, und sank kurz darauf erneut in Schlaf.
Er erwachte, als der Colonel geräuschvoll den Vorhang aufzog, einen kurzen Blick hinauswarf und ihn mit den Worten »Fast noch dunkel – du scheinst gut geschlafen zu haben« wieder schloss.
»Gut nicht, aber ausreichend.« Darcy griff nach seiner Uhr.
»Wie spät ist es?«
»Kurz vor sieben.«
»Ich sehe nach, ob Wickham wach ist und ob er etwas zu essen und zu trinken braucht. Vielleicht wollen auch die Aufseher eine Stärkung. Wir können sie zwar wegen Hardcastles strikten Befehls nicht ablösen, aber ich finde, man sollte sich um sie kümmern. Falls Wickham wach und immer noch in dem Zustand ist, in dem er Dr. McFee zufolge war, als er herkam, dürften Brownrigg und Mason Schwierigkeiten haben, ihn zu bändigen.«
Darcy erhob sich von seinem Sessel. »Das übernehme ich. Du klingelst inzwischen nach dem Frühstück. Im Speisezimmer wird es nämlich erst um acht serviert.«
Doch der Colonel war bereits an der Tür. Er drehte sich noch einmal um und sagte: »Überlass das lieber mir. Je weniger du mit Wickham zu tun hast, umso besser. Hardcastle beobachtet jede Einmischung deinerseits überaus wachsam. Er ist der Zuständige in dieser Sache. Du darfst ihn dir keinesfalls zum Feind machen.«
Darcy gab dem Colonel stillschweigend recht. Er war zwar immer noch entschlossen, Wickham als einen Gast seines Hauses zu behandeln, doch die Realität zu missachten, wäre töricht gewesen. Wickham war der Hauptverdächtige in einer Mordermittlung, und Hardcastle durfte mit Fug und Recht erwarten, dass Darcy sich, zumindest bis zu Wickhams Verhör, von ihm fernhielt.
Kaum war der Colonel gegangen, erschien Stoughton mit Kaffee. Ihm folgten ein Hausmädchen, das sich um das Feuer kümmerte, und Mrs. Reynolds mit der Frage, ob den beiden Herren das Frühstück gebracht werden solle. Während im Kamin nachgelegt wurde, entzündete sich in der stechend riechenden Asche noch einmal ein glimmender Scheit. Die züngelnden Flammen leuchteten bis in die Ecken der Bibliothek hinein und verstärkten noch die Düsterkeit des Herbstmorgens. Der Tag, der für Darcy nur Unbilden bereithielt, war angebrochen.
Zehn Minuten später, gerade als Mrs. Reynolds den Raum verließ, kehrte der Colonel zurück, ging sofort zum Tisch und schenkte sich Kaffee ein. Dann nahm er wieder in seinem Sessel Platz. »Wickham ist unruhig und murmelt ständig vor sich hin, aber er schläft noch, wahrscheinlich noch eine ganze Weile. Ich gehe kurz vor neun wieder zu ihm und bereite ihn auf Hardcastles Erscheinen vor. Brownrigg und Mason wurden in der Nacht gut mit Essen und Getränken versorgt. Brownrigg döste gerade auf seinem Stuhl, und Mason beklagte sich darüber, dass seine Beine steif seien und er Bewegung brauche. In Wirklichkeit brauchte er wahrscheinlich nur einen Besuch des Wasserklosetts, dieser neumodischen Vorrichtung, die du hier hast aufstellen lassen und über die, wie ich gehört habe, in der ganzen Gegend Zoten gerissen werden. Ich habe ihm den Weg dorthin gezeigt und bis zu seiner Rückkehr Wache gestanden. Soweit ich es beurteilen kann, wird Wickham um neun wach genug sein, um von Hardcastle verhört zu werden. Möchtest du dabei sein?«
»Wickham befindet sich in meinem Haus, und Denny wurde auf meinem Besitz ermordet. Deshalb ist es richtig, dass ich von den Ermittlungen ausgeschlossen bin, die im Übrigen vom Polizeidirektor geleitet werden, sobald Hardcastle ihm Meldung gemacht hat; Sir Miles Culpepper selbst wird sich allerdings kaum aktiv beteiligen. Für dich könnte die Sache leider unangenehm werden – Hardcastle wird auf eine möglichst rasch erfolgende gerichtliche Untersuchung hinarbeiten. Zum Glück ist der Untersuchungsrichter in Lambton, und die dreiundzwanzig Männer für die Jury werden bald gefunden sein – allesamt Einheimische, was aber nicht von Vorteil sein muss. Jeder weiß, dass Wickham in Pemberley unerwünscht ist, und die Klatschmäuler haben bestimmt schon eifrig über den Grund dafür spekuliert. Auf jeden Fall werden wir beide als Zeugen aussagen müssen, und das hat Vorrang vor der Wiederaufnahme deines Dienstes.«
»Nichts hat Vorrang vor der Wiederaufnahme meines Dienstes«, entgegnete Colonel Fitzwilliam, »aber wenn die gerichtliche Untersuchung
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