Der Tod kommt wie gerufen
Es klingelte viermal. Fünfmal. Sechsmal.
»Slidell.« Gebellt.
»Brennan hier. Was ist passiert?«
»Ich bin ziemlich beschäftigt.«
»Kurze Zusammenfassung.«
»Finney ist tot.«
»Das weiß ich.«
»Er brachte eben den Müll raus, als auf ihn geschossen wurde.« Im Hintergrund hörte ich die üblichen Tatortgeräusche. Knisternde Funkgeräte. Stimmen, die etwas riefen. Andere, die antworteten.
»Aus einem fahrenden Auto heraus?«
»Larabee meint, die Waffe wurde aus relativ kurzer Entfernung abgefeuert. Schuhabdrücke in der Erde bei den Sträuchern. Sieht aus, als hätte ihm jemand aufgelauert.«
Ich hatte Mühe, vernünftig zu sprechen.
»Dieselbe Waffe wie bei Rinaldi?«
»Das hier war eine Fünfundvierziger. Bei Eddie war es eine Neun-Millimeter.«
»Zeugen?«
»Ein Nachbar zwei Häuser weiter sah gestern einen Volkswagen Jetta um den Block fahren. Fand ihn irgendwie verdächtig. Notierte sich das Kennzeichen.«
»Ihr Eindruck?« Ich brauchte ihm nicht zu erklären, was ich meinte.
»Sieht ganz anders aus.«
»Inwiefern?«
»Schlampig. Bei Eddie war es ein präziser Anschlag.«
»Das ist alles?«
»Irgendjemand wollte diesen Kerl wirklich tot sehen. War ihm sechs Kugeln wert.«
Tote Leitung.
Ich knallte das Schnurlose auf den Tisch und ging in der Küche auf und ab. Wie hatte das passieren können? Hatte Slidell einen Unschuldigen in Gefahr gebracht? War Finney schuldig, und irgendjemand wollte ihn unbedingt beseitigen?
Wer?
Derjenige, der Klapec getötet hatte? Rinaldi? Slidell sah keine Verbindung zu Rinaldi.
Was sollte ich Jennifer Roberts sagen?
Als ich den sanften Druck einer Hand auf meiner Schulter spürte, drehte ich mich um. Ryans Augen waren voller Sorge.
»Komm.« Ich ließ mich zum Tisch führen. »Setz dich.«
Ich ließ mich auf den Stuhl fallen.
»Tief durchatmen.«
Ich atmete ein. Wieder aus.
Ryan gab mir einen Becher, setzte sich dann ebenfalls und schaute mich aufmerksam an.
Okay. Polizeikram. Ungefährlich.
Ich berichtete ihm, was ich eben von Slidell erfahren hatte.
»Wurde Finney ausgeraubt? Wurde in das Haus eingebrochen? «
Das hatte ich gar nicht gefragt. Ich griff wieder zum Telefon und rief noch einmal Slidell an. Sechsmaliges Klingeln, dann sprang die Voice Mail an. Ich machte mir nicht erst die Mühe, eine Nachricht zu hinterlassen.
Ich trank einen Schluck Kaffee. »Ich werde das Gefühl nicht los, dass ich schuld an Finneys Tod bin.«
»BS.« Ryan benutzte eines unserer Geheimkürzel. Blödsinn.
Noch einmal griff ich zum Telefon und drückte Wahlwiederholung. Wieder ignorierte Slidell meinen Anruf.
»Scheiße.« Ich knallte das Ding auf den Tisch.
Ryan hob die Augenbrauen, sagte aber nichts.
Ich hob frustriert die Hände. »Warum Finney?«
Da Ryan wusste, dass es eine rhetorische Frage war, sagte er nichts.
»Nichts in dieser Ermittlung ergibt einen Sinn. Cuervo, ein santero, wird von einem Zug überfahren. Rinaldi, ein Polizist, wird aus einem fahrenden Auto erschossen. Finney, ein Hexer, wird vor seinem Haus niedergemetzelt.«
Ryan unterbrach mich nicht.
»Klapec, ein Hühnerhabicht, wird von Satanisten ermordet und an einem See abgelegt. Mann, bei dem Fall haben wir nicht einmal eine Todesursache.«
Ich hob meinen Becher, knallte ihn wieder auf den Tisch. Tropfen spritzten hoch und landeten auf der Platte.
»Und jetzt reagiert dieses Arschloch von Detective, mit dem ich arbeite, nicht einmal auf meine Anrufe.«
Wie aufs Stichwort klingelte das Telefon.
Ohne Nachzudenken griff ich danach.
»Wird langsam Zeit.« Mich höflich zu melden, kam mir nicht einmal in den Sinn.
»Tempe, hier ist Larke Tyrell.«
Ich schloss die Augen. In diesem Augenblick konnten meine geschundenen Nerven nicht noch mehr Belastung ertragen.
»Guten Morgen, Larke. Wie geht’s?« Okay. Das klang ruhig.
»Nicht gut.«
Meine oberen Zähne gruben sich in meine Unterlippe.
»Sie haben mit den Medien gesprochen, obwohl ich Ihnen den direkten Befehl gegeben habe, es nicht zu tun.«
»Lingo machte Wahlkampf auf Rinaldis Begräbnis.«
»Und wenn der Mann nackt Tai Chi auf dem Rasen des Senats macht.« Auch Tyrell hatte Mühe, die Fassung zu wahren. »Mit Bedauern muss ich Sie davon in Kenntnis setzten, dass dieses Institut Ihre Dienste nicht länger benötigt.«
Mein Gesicht wurde heiß.
»Lingo ist gefährlich«, sagte ich.
»So wie ein aufsässiger Soldat unter meinem Befehl.« Tyrell hielt kurz inne. »Und da ist noch die Sache mit dem
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