Der Tod kommt wie gerufen
wusste, was er meinte, sagte ich nichts.
Denn redete Ryan. Über Lily. Ihre Sucht. Ihren Entzug. Seinen vergeblicher Versuch, sich mit ihrer Mutter zu versöhnen.
Ryan sagte, dass er und Lutetia jetzt wieder getrennt lebten. Gab zu, dass er einen Fehler gemacht hatte. Bat mich um Vergebung. Lud mich wieder in sein Leben ein.
Wie diese Worte mich vor ein paar Monaten noch begeistert hätten. Jetzt entfachten sie einen emotionalen Wirbelsturm.
Wie würde meine Schwester Harry es formulieren? Ich habe dieses Pony schon einmal geritten und wurde abgeworfen.
Und dabei beließen wir es um 2 Uhr 45. Angesichts der späten Stunde bot ich ihm die Bettcouch im Arbeitszimmer an. Ryan nahm an. Ich ging mit Birdie in mein Schlafzimmer.
Der Schlaf ließ sich lange Zeit.
Mein Radiowecker zeigte 8 Uhr 14. Lichtpfeile fielen durch die Jalousien auf den Schlafzimmerboden. Das Haus war still. Bird war nirgendwo zu sehen.
Morgengeräusche wehten durch das einen Spalt geöffnete Fenster herein. Vogelgezwitscher. Blättergeraschel. Ein Müllwagen
auf der Queens Road, der von Hausnummer zu Hausnummer zockelte.
Ich war genauso nervös wie die paar Stunden zuvor, als ich zu Bett gegangen war.
Ich schlug die Decke zurück, zog mich an, machte eine Katzenwäsche und ging nach unten.
Ryan saß am Küchentisch und las den Observer. Birdie saß auf seinem Schoß.
Die Wikingerblauen leuchteten auf, als ich die Pendeltür aufstieß.
»Bonjour, Madame.«
Mein Unterleib reagierte wie erwartet.
»Hey.« Ich ignorierte meine Libido.
Ryan trug Jeans und ein nicht zugeknöpftes, kariertes Flanellhemd. Das T-Shirt darunter zeigte eine fette, grüne Eidechse und die Aufschrift The Dead Milkmen.
Komischerweise irritierte mich das Ding.
Was war nur mit AC/DC passiert? Lynyrd Skynyrd? The Grateful Dead? Katy hatte recht. Ich war wirklich ein Dinosaurier.
Außerdem ärgerte mich, dass Birdie auf Ryans Schoß saß. Konnte der blöde Kater nicht darauf warten, dass ich aufstand und ihm seine Schüssel füllte?
»Du siehst gut aus«, sagte Ryan und musterte das Ergebnis meiner hektischen Toilette.
»Fang gar nicht erst an«, sagte ich. Mit Witzereißen? Vielleicht. »Kaffee?«
»Du weißt, wie man Kaffee macht?«
»Ich schaue immer genau zu, wenn ich bei Starbucks in der Schlange stehe.«
»Ich würde dir ja helfen, aber dann wird der Kater sauer.«
Das Vieh hob nicht einmal den Kopf.
Ich mahlte Bohnen und maß Wasser ab. So ungefähr. Ich peile es eher über den Daumen.
»Bagel?«
Ryan nickte. Ich legte zwei in den Toaster, holte Frischkäse aus dem Kühlschrank. Becher. Servietten. Löffel. Zurück zum Kühlschrank wegen der Sahne. Zurück zur Schublade wegen der Messer. Zurück zum Schrank wegen der Teller.
Ryans Anwesenheit machte mich verdammt nervös.
Weil ich Ablenkung brauchte, schaltete ich den Minifernseher auf der Anrichte an. Er war noch immer auf den Lokalsender eingestellt, den ich gesehen hatte, bevor ich zu Rinaldis Begräbnis aufgebrochen war.
»Und?« Ryan lehnte sich zurück. »Was liegt heute an?«
Ich wollte ihm eben eine schnippische Antwort geben, als die Worte des Nachrichtensprechers in mein Bewusstsein drangen.
»Wir könnten –«
»Pscht.« Ich wedelte mit der Hand.
»Hast du mir eben den Mund verboten?«
»– vor seinem Haus in Pineville. Nachbarn entdeckten die Leiche gegen sieben Uhr heute Morgen. Die Behörden gehen davon aus, dass Finney gestern Abend zwischen zehn Uhr und Mitternacht erschossen wurde.«
»Hat diese Frau mir eben den Mund verboten?«, fragte Ryan die Katze.
Der Bildschirm zeigte nun Finneys kleines, gelbes Haus. Streifenwagen und andere Fahrzeuge säumten den Bordstein. Der Transporter des Leichenbeschauers stand mit geöffneten Hecktüren da. Auf dem Rasen lag bewegungslos eine Gestalt unter einer Plastikplane, daneben eine umgekippte Mülltonne.
»O Gott.« Ich hielt mir die Hand an den Mund.
»Asa Finney war ein selbst ernannter Hexer. Vor einer Woche wurde Jimmy Klapecs kopflose Leiche am Ufer des Lake Wylie gefunden, in den Torso waren satanistische Symbole eingeritzt. Als Verdächtiger im Mordfall Klapec wurde Finney erst kürzlich wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Die Behörden suchen weiterhin nach möglichen Verbindungen zwischen den beiden Morden.«
»Das ist der Mann, von dem du gestern Abend gesprochen hast.« Der Sarkasmus war aus Ryans Stimme verschwunden.
Ich nickte.
»Verdammt.«
Ich schnappte mir mein Telefon und wählte Slidells Nummer.
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