Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
könnte trotzdem hier pennen. Meine Eltern würden das doch nicht merken und so weiter. Ich hab mich da nicht so richtig getraut, Nein zu sagen. Er ist halt schon 18 und muss zuhause da gar nicht groß fragen. Und wenn ich da jetzt nein gesagt hätte, wäre er bestimmt voll enttäuscht oder würde denken, dass ich noch son Kind bin oder so. Ich bin ja nicht die erste für ihn, verstehste? Ich hab son bisschen Angst, obwohl ich ihm ja eigentlich vertraue, dass er irgendwie mehr will als ich. Weisste was ich meine? Ich finds eigentlich schon so ganz schön mit ihm, wenn wir so rummachen, aber manchmal … ach fuck, ich kanns nicht ausdrücken, was ich meine. Ich muss Schluss machen, Maraschatz, ich hör sein Auto.
Mel
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23. Kapitel
S tockbrot. Wer in Gottes Namen hat das eigentlich erfunden? Eine geschmacksneutrale klebrige Masse, die labbelig an einem Stöckchen bappt und stundenlang ins Feuer gehalten werden muss, ehe sie durch Karzinogene genießbar wird. Vielleicht dient dieser Akt auch nur dazu, die Kinder mal für eine Weile zur Ruhe zu bringen. Dann hat das natürlich seinen Sinn. Immerhin habe ich meinen Stock mit bloßen Händen eigens im Wald erlegt. Schlampe, der sein zertrümmertes Unterbein vermutlich per Meditation wundersam zur schnellen Heilung bewogen hat, kann es nicht sein lassen, die Kinder- und Elternschar mit der Wandergitarre zu unterhalten. Ich grüble lange, ob ich ihn nicht vielleicht doch darauf hinweisen soll, dass diese Drehknöpfe am oberen Ende der Gitarre dazu dienen, die Saiten zu stimmen. Ich lasse es, und über uns ergießen sich «Country Roads», «Let it be», «Der Hase Augustin» und eine Eigenkomposition, zu der Molli mit geschlossenen Augen verträumt den Kopf bewegt. Jutta, die als gebürtige Breungeshainerin eine «Afrikanische Trommelgruppe» leitet, verteilt zwischendurch Trommeln. So trommeln wir alle. Und zwar zu «We shall overcome», im sehr freien Rhythmus und gegen jede Regel des guten Geschmacks.
Wolle wirkt ein wenig schlecht gelaunt. Schlampe scheint ihm wohl doch zu sehr die Show zu stehlen. Schade eigentlich, dass ich in den nächsten Jahren die Hahnenkämpfe dieser zwei Herren nicht mehr miterleben werde.
Mitten in «Morning has broken» springt Wolle und ruft: «Ich geh in den Bach baden. Wer kommt mit?»
«Jaaaa», schreien alle Kinder, und Schlampe muss Cat Stevens Cat Stevens sein lassen, obwohl er «Lady D’Arbanville» schon angedroht hatte. Punktsieg für Wolle.
Geschlossen schreitet die Gruppe in der milden Abenddämmerung zum Bach und sucht sich eine Stelle aus, in der man gut ans Wasser kommt, Wolle immer voran. Er reißt sich alle Klamotten vom Leib und geht mit haarigem Arsch ohne zu zögern in das bestimmt sehr kühle Nass. «Boaarr,» schreit er.
«Der spinnt doch», flüstere ich zu Franziska, während andere johlen und klatschen.
«Wieso?», fragt sie.
«Ich find das nicht gut, so nackt vor den Kindern …»
«Warum? Das ist doch ganz natürlich.»
«Trotzdem. Da ist eine Grenze. Außerdem weiß ich nicht, ob die Kinder bei dem Anblick von Wolles nacktem Körper nicht total traumatisiert werden», ziehe ich meine eigentlich ernst gemeinte Bemerkung selber ins Lächerliche.
Als ich dann aber sehe, dass Molli es ihrem Mann gleichtut, weiß ich, dass es nun eh zu spät ist für Gedanken über frühkindliche Ursachen späterer Sexualstörungen.
Die ersten Kinder planschen nun im Wasser, und Laurin quengelt, wir sollten auch mit rein. Nun zieht sich tatsächlich auch Franziska komplett aus. Mir gefällt das alles nicht. Ich sehe, wie Schlampe, der inzwischen zum Bach nachgekommen ist, seine Augen nicht von ihr wenden kann. Kurz nachdem meine nackte Ehefrau unter lautem Gejohle in den Bach gestiegen ist, kann es auch die Schlampe nicht lassen. Sein Körper, stellt sich leider heraus, ist überraschend athletisch und wohlgeformt. Er hüpft mit einem albernen Sprung und einem riesigen Gemächt direkt neben Franziska ins Wasser. Sie lacht. Ich nicht.
«Koooommmm Papa», ruft Laurin. Ich lächle etwas gequält und schüttele den Kopf. Wie ich dieses Nudisten-Schauspiel so betrachte, kommt mir der Gedanke, dass die 68er für mich wohl nichts gewesen wären. Verklemmt bin ich, denke ich, und zwar zu Recht.
Ich schleiche mich vom Ort des heiteren Wasserplanschens weg, gehe zurück zu unserem Zeltchen, packe ein paar Sachen in Laurins Kindergarten-Rucksäckchen mit den süßen Bob-der Baumeister-Aufkleberchen und laufe
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