Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
sagt er schwach und geht mit uns eine Treppe hinauf. Er klopft an Lasses Zimmer.
Lasse Assmann öffnet die Tür. «Lasse», sagt Pfarrer Assmann, «die Herren sind von der Polizei. Die müssen dich was fragen … die glauben, dass du …»
Lasse beginnt zu zittern und übergibt sich. Das ist dann auch schon alles, was er von sich gibt. Sagen tut er nichts.
«Lasse, das wird sich alles aufklären», stammelt sein Vater. «Diese Mütze ist doch nicht von dir, oder?»
Der Junge reagiert nicht. Völlig apathisch schaut er ins Nichts. Blass wie die Wand und zerbrechlich wie das dünnste Glas. Man möchte ihn in den Arm nehmen, verhaften möchte man ihn nicht.
«Kann ich kurz noch meine Frau …?», fragt Gregor und zieht sein Handy aus der Tasche. Doch in diesem Moment höre ich einen Schlüssel in der Haustür, und Stefanie betritt den Hausflur.
Sie sieht uns alle auf der Treppe stehen. «Was ist denn hier los?», ruft sie.
Gregor läuft zu ihr herunter und nimmt sie in den Arm.
«Die Polizei will Lasse mitnehmen. Seine DNA deckt sich mit dieser Mütze von dem Täter, der …»
«Was», stammelt sie und blickt zu mir. «Spinnt ihr?», schreit sie. Dann läuft sie zu ihrem Sohn und schließt ihn in den Arm. «Lasse, was ist hier los?» Noch immer hat der Junge kein Wort gesagt. Stefanie schüttelt ihn an den schmalen Schultern. «Junge, sag doch mal was.» An uns gerichtet zischt sie: «Seht ihr das nicht? Der ist doch ganz verstört.» Ich betrachte Lasse. Sein Körperbau passt zu dem Burschen, der damals nach dem Steinwurf vor mir davonlief.
«Wir unterhalten uns jetzt erst mal in der Polizeidirektion in aller Ruhe mit Ihrem Sohn, dann sehen wir weiter», versucht Markus die Gesamtsituation etwas zu beruhigen.
«In aller Ruhe?», brüllt Stefanie. «Sie sind gut!»
Dann blickt sie wieder zu mir. Es gibt mir einen Stich.
«Henning, sag du doch was. Was soll das alles?»
Ich aber kann nichts sagen. Mir fällt nichts ein.
Zehn Minuten später sitzen wir mit der Familie Assmann in Markus Meirichs Polizeiwagen und fahren nach Alsfeld.
Nach drei Stunden zermürbender Versuche, Lasse zum Reden zu bringen, probiert es Stefanie selbst noch einmal bei ihrem Sohn: «Lasse, bitte, sag doch was. Du musst reden, sonst können wir dir nicht helfen. Was ist mit dieser Mütze?»
Immer wieder fasst sie nach seiner Hand. Lasse lässt alles über sich ergehen, sagt aber kein einziges Wort und reagiert auf keine Frage.
Seine Augen sind leer, sein schmächtiger Körper sitzt in sich zusammengesackt auf einem Holzstuhl.
«Stefanie, kommst du mal?» Ich winke sie aus dem Verhörzimmer.
Sie nickt und bewegt sich müde und langsam zu mir. Ich schließe die Tür. Durch die Scheibe sehen wir Lasse vor einem unberührten Glas Wasser sitzen. «Ich glaube, das hat heute keinen Sinn mehr», sage ich. «Wir sollten ihn in Ruhe lassen. Und versteh mich nicht falsch. Vielleicht ist es besser, wenn wir morgen mal alleine versuchen, mit ihm zu reden. Also ohne euch Eltern.»
Stefanies Kinn zittert. Auf ihrer Stirn schimmern Adern durch. Ich versuche, sie in den Arm zu nehmen, doch sie reißt sich schnell los.
«Ich will ihn mit nach Hause nehmen», bringt sie brüchig hervor. «Ich will mein Kind mit nach Hause nehmen.»
Ich nicke zögerlich. Er ist vierzehn, es gibt keinen Grund, ihn aus dem Elternhaus herausnehmen zu müssen, Fluchtgefahr besteht auch nicht wirklich. Ein wenig aber habe ich Angst, dass er sich in seinem aktuellen Zustand etwas antun könnte.
Genau so sage ich es Stefanie.
«Wir passen auf ihn auf», bringt sie mit tränenerstickter Stimme heraus.
«Ich werde gleich morgen früh zu euch kommen. Dann sehen wir weiter», verkünde ich, ehe Stefanie mit Lasse und Gregor die Dienststelle verlässt.
«Und hat es gezwitschert, unser Nerd-Mörderchen?»
Teichner steht vor mir. Ich sehe in sein aufgedunsenes, grinsendes Gesicht. Da überkommt es mich. Ich packe ihn am Kragen und bremse mich noch gerade im letzten Moment, bevor sein T-Shirt mit der Aufschrift «Vögelgrippe» in zwei Teile zerreißt.
Teichners Mund steht offen.
«Spinnst du?», keucht er.
Ich stoße ihn weg, greife nach meiner Tasche, verlasse wort- und grußlos die Direktion und weiß nicht, wohin mit mir.
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25. Kapitel
W aaaas, der? Das gibt’s doch nicht …»
Melina will sich nicht mehr einkriegen.
«Der Lasse Assmann, aus der 10c? Du verarschst mich!»
Ich schüttele erneut den Kopf.
«Das ist doch ein Kind.
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