Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
so weit in den Wald hinein, bis ich niemanden mehr sehe und höre. Dann setzte ich mich auf eine feucht-moosige Waldbank, nehme einen kräftigen Schluck aus meiner alkoholfreien Radler-, Alster- oder Was-auch-immer-Dose, gehe wenig später in die Bäume zum Pinkeln, bin eifersüchtig auf die Schlampe und fühle mich so männlich wie noch nie.
Dann atme ich tief durch und lese die Kurzmitteilungen:
SMS 1: «Ich glaube, ich will dich sehen. Man lebt nur einmal.»
SMS 2: «Nein, lieber doch nicht. Lass uns nicht weitergehen.»
SMS 3: «Alberner Midlife-Scheiß! Sorry, Stefanie»
Von weitem höre ich Franziska laut lachen und zwischendurch immer wieder Ilja Richters Stimme. Dann schreibe ich zurück:
«Ich habe nur SMS 1 gelesen. 2 und 3 habe ich ganz aus Versehen gelöscht. Wann sehen wir uns? Lieber Gruß, Henning»
Irgendwann nachts, kurz vor der einsetzenden Morgendämmerung wache ich auf, als sich die äußere Luftfeuchte nun auch souverän gegen die innere Zeltwand durchsetzt und mir ein Tropfen Wasser auf die Stirn platscht. Im Zelt sehe ich nur Laurin. Franziskas Schlafsack ist leer. Sieben Minuten lang versuche ich den Reißverschluss unseres Old-School-Zeltes zu öffnen, um nach Franziska zu schauen und Pinkeln zu gehen. Von weitem erkenne ich, dass sie Schulter an Schulter mit Schlampe am Lagerfeuer sitzt. Niemand anderes sehe ich sonst. Alle anderen scheinen zu schlafen. Scheiß drauf, denke ich schlaftrunken und bepinkle einen Busch. Während ich ins Zelt zurückkrabbele, beschließe ich, gleich am nächsten Morgen in der Frühe vorzeitig abzureisen. Die Arbeit ruft, werde ich behaupten.
Und die «Arbeit» an diesem Sonntagmorgen sieht so aus, dass ich um 10.01 Uhr an der Tür des Schottener Pfarrhauses klingele, exakt zu der Zeit, zu der ihr Mann den Gottesdienst in der Schottener Liebfrauenkirche eröffnet.
«Henning? Oh …»
Stefanie steht in einem hellblauen Pyjama an der Haustür und sieht schlicht und ergreifend bezaubernd aus.
«Darf ich reinkommen?», frage ich und stehe schon nervös im Hausflur.
«Ich bitte sogar fast darum.»
Stefanie huscht darauf schnell in ein Nebenzimmer und kehrt wenig später mit einem übergezogenen blauen Morgenmantel zurück.
«Was gibt’s?», fragt sie so beiläufig wie möglich und bittet mich in die geräumige Wohnküche, in der ein beendetes Frühstück auf dem Tisch sein abgekautes Dasein fristet.
«Na ja», stammele ich. «Ich meine, äh, was soll’s schon geben? Also, ja, du, du hast mir doch diese diversen SMS geschrieben …»
«Hmm.»
Stefanie nickt und lächelt, und ich meine sogar, dass sie ein wenig errötet. Was ich hinreißend finde.
Ich schaue auf ihren Mund und sehne mich nach nichts mehr, als genau diesen Mund jetzt küssen zu dürfen.
«Weißt du Henning, ich mache so was sonst nicht. Ich bin nicht so. Und irgendwie will ich das auch nicht. Ich finde das albern und würdelos und doch … ich mein, wir kennen uns doch gar nicht …»
«Stimmt», antworte ich und wundere mich, wie ich mich trotzdem zu einer Frau so hingezogen fühlen kann. Ich sehe ihr in die Augen und habe das Gefühl, sie seit Jahren zu kennen. Das ist einerseits aufregend, andererseits macht es mir Angst. Wo soll das enden?
«Ich versteh das auch nicht, was da ist, mit uns», stottere ich, «ich bin da auch kein Fachmann in diesen Dingen und … scheiße, ich mein, wir sind verheiratet und alles …»
Sie sieht mir in die Seele, denke ich, als ich in ihre Augen blicke. Verdammt, was macht diese Frau mit mir? Vor Aufregung beginnt mein Körper leicht zu zittern.
«Zitterst du?», fragt sie mich.
«Nein», antworte ich. «Also, Stefanie», rede ich weiter, um meine innerliche Erregung zu stoppen, «vielleicht liegt es daran, also, äh, ich mein, ich bin ja jetzt auch nicht gerade glücklich so … in meiner Dings, also Ehe, und da kann es ja durchaus vorkommen, dass ich …»
«Henning?»
«Ja?»
«Wollen wir nicht aufhören, etwas zu zerreden und zu zerdenken, das noch gar nicht angefangen hat?»
Das ist eine gute Idee.
Wir bewegen langsam unsere Köpfe aufeinander zu, und unsere Lippen berühren sich. Langsam, ruhig und zart küssen wir uns. Ich behalte die Augen auf und genieße die Unwirklichkeit dieses Momentes. Kurz danach denke ich an den Gottesdienst im Nebengebäude und frage mich, ob Gregor Assmann wohl schon beim Vaterunser angelangt ist. Wenn es nun tatsächlich eine Hölle gäbe, könnte es für mich verdammt eng werden.
Doch
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