Der Tod macht Schule: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)
Schlag, der bei mir fast gleichzeitig einen Herzinfarkt und einen Hörsturz verursacht. Es ist Punkt zwei Uhr nachmittags, und ein Stockwerk höher gehen riesige wuchtige Glocken ihrer Pflicht nach. Sie läuten zur richtigen Zeit.
Auf der Heimfahrt von Schotten nach Bad Salzhausen spreche ich Markus Meirich die Neuigkeiten auf die Mailbox. Danach lege ich Mozarts Ehebrecher-Oper «Cosi fan tutte» («Sie tun es alle») ins CD-Fach und bin zufrieden mit mir, dass ich es eben gerade nicht getan habe. Nicht wegen eines etwaigen Bruches einer ohnehin mehr als angeknacksten Ehe, sondern weil ich es einfach nicht wollte.
Als ich zu Hause ankomme, ist auch Melina von ihrem Besuch bei Lisa-Marie zurückgekehrt. Von welcher genau, weiß ich nicht, da mindestens vier ihrer Freundinnen den Namen Lisa-Marie tragen.
Auch sie habe keine Ahnung, wo Adrian ist, sagt Melina. Übermüdet sitzt sie an einen Sessel gelehnt auf dem Wohnzimmerteppich und hat Hitler auf ihrem Arm. Wird Zeit, dass wir ihm mal einen Namen geben, denke ich. Nicht, dass mir vor den Kindern mal ein «Hitler» rausrutscht.
«Und du hast wirklich nichts von ihm gehört?», frage ich. «Keine SMS oder so?»
«Ei nee, hab ich Mama doch eben schon alles gesagt.»
Sie wirkt seltsam unbesorgt.
«Machst du dir keine Sorgen?», frage ich und erwarte nun eine Beschimpfung.
«Nö», kommt nur zurück. «Der geht mir grad am Arsch vorbei.»
«Aha.»
«Aber so was von …»
Ich hoffe, dass sie von sich aus weiterspricht. Tut sie aber nicht.
«Am Arsch vorbei …», wiederhole ich dann einfach mal.
«Ei ja … hab Schluss gemacht.»
Eine der besten Nachrichten der letzten Monate, wenn nicht vielleicht Jahre. Ein wahrer Stimmungsaufheller.
«Willst du drüber reden?»
«Nö.»
«O.k.»
Dann stehe ich auf, und kurz bevor ich das Wohnzimmer verlasse, sagt sie:
«Ich lass mir doch net alles gefallen! Der denkt, ich bin so ’ne kleene blöde Tussi, die ihn den ganzen Tag nur anhimmelt. Falsch gedacht! Ich hab schon das Gefühl, dass da auf meinem Hals ein eigener Kopp sitzt, wo sogar ein Hirn drin ist. Nee nee nee, da muss er sich ein neues Opfer suchen … nicht mit mir!»
Ich drehe mich langsam um, gehe zurück zu ihr, beuge mich runter, gebe ihr einen dicken Kuss auf die Stirn und sage: «Melina, du bist einfach absolute Weltklasse!»
Dann gehe ich Richtung Tür und spüre, wie sie hinter meinem Rücken in sich hineinlächelt.
Auch am nächsten Morgen ist Adrian Albrecht nicht wiederaufgetaucht. Dafür steht sein Vater in unserer Direktion und macht Krawall.
«Ich verstehe nicht, warum ihr immer noch hier rumsitzt? Wenn meinem Jungen irgendetwas zustößt, mach ich euch fertig, da könnt ihr euch sicher sein.»
Diesen Wortlaut habe ich in schon mindestens 37 Hollywood-Filmen gehört, jedoch noch nie hier bei uns in der Polizeidirektion Alsfeld.
Ich versuche Guido Albrecht etwas zu beruhigen, indem ich zu bedenken gebe, dass er doch erst seit drei Minuten hier sei und wir nach Aufnahme der Vermisstenanzeige selbstverständlich seinen Sohn suchen würden.
«Ach, hör doch auf», schreit er mich an. «Mir reicht schon, was ich hier sehe, ihr Provinzbullen. Bis ihr euern Arsch hoch kriegt, ist doch Weihnachten. Ich muss mir nur ihn hier angucken, da weiß ich doch Bescheid, was für Granaten ihr hier im Team habt und wie hier gearbeitet wird.»
Albrecht zeigt mit dem Finger auf Teichner, der am anderen Ende des Raumes wie ein zwölfjähriger Schüler mit dem Stuhl kippelt und eine Kappe trägt, auf der «Der Beweis, Bier macht schön» geschrieben steht. Da hat Guido Albrecht natürlich recht, auch wenn ich ihm das nicht sagen mag.
«Es bringt ja nun nichts, wenn Sie in diesem Ton, bei allem Verständnis …», versuche ich stattdessen erneut zu deeskalieren, doch wieder werde ich unterbrochen.
«Ich weiß gar nicht, was ich hier soll. Ich hab Britta gleich gesagt, lass uns direkt ans Innenministerium nach Wiesbaden gehen. Glaub mir, ich kenn da so einige; ich arbeite nicht umsonst seit 15 Jahren als PR-Berater.»
Ich höre nicht mehr richtig zu und lasse ihn einfach noch eine Weile weiter auf seinem hohen Ross herumplärren. In meinem Kopf tauchen die Bilder unseres Besuches bei den Albrechts auf. Die Küchenshow, die er abgezogen hat, der Zwiebel hackende Adrian, das von Mutter Britta vorgeführte Kleinkind. Es ist ja schon eine rechte Erleichterung, dass ich nicht gemeinsam mit den Albrechts die Hochzeit meiner Tochter ausrichten
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