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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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berührte Joans Arm auf eine Weise, die mir verriet, dass sein stürmisches Liebesspiel nun
ihr
galt.
    Wir brachten Charles auf dem Dachboden unter, wo inzwischen zwei Doppel- und vier Einzelbetten standen, um die Verwandtschaft und anderen Besuch während des Sommers unterzubringen. Es gab dort oben keine Rückzugsmöglichkeit, was kein Problem war, solange Charles als Einziger dort oben wohnte. In der Woche, bevor meine Cousins und Cousinen kommen sollten, machte er eines Morgens beim Frühstück einen Vorschlag.
    “Wie wäre es denn, wenn ich dort oben ein System von Drähten anbringe?” Er holte einen Füller aus der Hemdtasche und zeichnete auf eine Papierserviette. “Dann könnten wir Vorhänge aufhängen, sodass wir vier Kabinen mit Betten haben und der Platz in der Mitte frei bleibt.”
    “Das ist eine gute Idee”, konstatierte mein Vater.
    “Ich nähe gern die Vorhänge”, schaltete sich meine Mutter ein, und ich bot ihr meine Hilfe an.
    “Und noch etwas”, sagte Charles und hob entschuldigend die Hände. “Ich hoffe, ich überschreite hier nicht meine Grenzen. Doch wie wäre es, wenn wir eine Toilette und ein Waschbecken dort oben einbauen? Ich würde das gern übernehmen. Mein Vater hat mir das Zimmermanns- und das Klempnerhandwerk beigebracht.”
    “Wo sollte das noch hinpassen?” Meine Mutter starrte auf die sich kreuzenden Linien auf der Serviette.
    “Ich könnte es direkt über dem unteren Badezimmer einbauen, um es mit den Anschlüssen leichter zu haben. Es wäre natürlich sehr klein, doch dann müssten eure Gäste nicht länger mitten in der Nacht die Treppe hinuntersteigen. Und man muss ja keine Tür einbauen. Man kann einfach einen Vorhang davor anbringen.”
    Ich sah, dass mein Vater Feuer und Flamme war. “Lass uns zur Eisenwarenhandlung fahren, wenn wir mit dem Frühstück fertig sind, Charles”, schlug er vor. “Und selbstverständlich bezahle ich dich für deine Arbeit und deine Planung.”
    “Oh, mein Gott, nein”, wehrte Charles rasch ab. “Ihr gebt mir den ganzen Sommer lang Kost und Logis. Es ist das Mindeste, was ich tun kann, um mich zu revanchieren.”
    Meine Eltern liebten Charles ebenso wie ich. Er fuhr gern mit meinem Vater im Motorboot zum Angeln raus, und zusätzlich zum Bau des oberen Badezimmers deckte er Teile des Dachs neu ein und strich die Holzrahmen des Hauses. Er fand den Akzent meiner Mutter niemals peinlich, sondern sah ihn als Teil eines Erbes, das man würdigen sollte. Und das, obwohl er beinahe sein Leben in einem Krieg verloren hatte, in dem die Italiener unsere Feinde waren. An ihrem Geburtstag im August scheuchte er sie aus der Küche, während wir ein fünfgängiges norditalienisches Essen zubereiteten. Es war alles seine Idee, ich wäre niemals darauf gekommen. Mutter weinte, als Charles ihr zum Nachtisch seine selbst gemachten Cannoli servierte, die er ihr mit unserem sorgfältig abgesparten Zucker gebacken hatte.
    Mit den Chapmans verkehrten wir kaum. Abgesehen von Ross und mir, die eine “Freundschaft” verband, hatte meine Familie das sowieso selten getan. Wir gehörten zu der Sorte Nachbarn, die sofort halfen, wenn der Wagen im Sand stecken blieb, doch es war klar, dass wir einer anderen sozialen Schicht angehörten, in einer anderen Welt lebten. Auch wenn wir unseren Garten teilten, war er doch durch eine unsichtbare Linie im Sand getrennt.
    Ross und ich unterhielten uns in jenem Sommer nicht ein einziges Mal unter vier Augen. Ich hätte gerne gewusst, wie er Joan kennengelernt hatte, doch sie stand oder saß immer dicht bei ihm, sodass ich nie die Gelegenheit erhielt, danach zu fragen. Vermutlich war das auch besser so.
    Wenige Wochen nach unserer Ankunft im Bungalow, saßen Charles und ich im Garten und genossen den Abend, als er vorschlug, dass wir uns mit Ross und Joan einmal treffen sollten.
    “Sie sind in unserem Alter”, sagte er, obwohl Charles tatsächlich sechs Jahre älter war als Ross. “Sie scheinen nett zu sein. Wäre es nicht schön, wenn wir nebenan ein Paar hätten, mit dem man ab und an etwas unternehmen kann?”
    Ich zögerte und dachte über eine Antwort nach. Der Gedanke, mit Ross und seiner neuen Liebe zu verkehren, entsetzte mich. Ich entschied mich, ihm die halbe Wahrheit zu sagen.
    “Charles”, begann ich mit meiner Erklärung. “Als Ross und ich in die Highschool gingen, bat er mich, mit ihm auszugehen. Als seine Eltern davon erfuhren, verboten sie es ihm.”
    “Warum?”, wunderte Charles sich.
    “Weil

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