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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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den kleinen Ned und über unsere Flitterwochen, und allmählich kamen wir auf das Thema Krieg, wie es in diesen Tagen üblich war. Joan und ich hüllten uns in Schweigen, während die Stimmen der Männer immer lauter wurden. Ross klagte, dass die Regierung reine Propaganda über die Fortschritte im Krieg verbreitete und die Wahrheit über die erlittenen Verluste verschwieg. Charles bestritt das und offenbarte in dem Streit eine Seite, die ich an ihm noch nicht erlebt hatte. Beide wurden laut und erregt, und ich sah die Zukunft klar vor uns: Ross Chapman und Charles Bauer würden niemals Freunde werden. Sie waren Rechtsanwalt und Arzt und gehörten verschiedenen Lagern an. In jener Nacht legten wir in unserem gemeinsamen Garten den Grundstein für das kühle und zerstrittene Verhältnis zu unseren Nachbarn, das immer so bleiben sollte – auch als unsere Kinder sich anfreundeten.

29. KAPITEL
    J ulie
    Ich fände es gut, wenn du einen Termin bei meiner Frauenärztin machen würdest.
    Würdest du gern zu meiner Frauenärztin gehen? Meine Frauenärztin ist die beste in der Gegend.
    Ich probierte jede Variante, versuchte, die richtigen Worte zu finden, damit mein Vorschlag bei Shannon nicht gleich auf Widerstand stieß. Ich hätte wissen müssen, dass es keine Rolle spielte. Meine Tochter hatte ihre eigenen Pläne.
    Ich rief sie am Freitagmorgen an, spät genug, damit sie schon auf, und früh genug, damit sie noch nicht bei der Arbeit war.
    “Hallo, Mom”, begrüßte sie mich, da sie offenbar meine Nummer auf dem Display erkannte hatte. Ich nahm es als gutes Zeichen, dass sie abgenommen hatte, obwohl sie wusste, dass ich dran war.
    “Hallo, Liebling.” Ich saß im Schneidersitz auf meinem Bett und lehnte mich an das Kopfteil. Ich hatte nach dem Aufstehen die Laken gewechselt. Nur für den Fall, denn Ethan kam heute Abend nach Westfield. “Wie geht es dir?”
    “Du meinst, weil ich schwanger bin?”
    Egal was ich sagte, sie schien es als Angriff zu verstehen. “Ich meine überhaupt”, begann ich vorsichtig.
    “Gut.”
    “Ich wollte dich fragen, ob du vielleicht gern einen Termin mit meiner Frauenärztin machen möchtest. Ich weiß, dass du sie mögen würdest. Sie ist –”
    “Ich wollte sowieso schon mit dir darüber sprechen”, unterbrach mich Shannon. “Ich habe bereits eine Ärztin.”
    “Hast du?” Meine Tochter war mir ein völliges Rätsel. “Wo bist du … in die Klinik gegangen?”
    “Keine Klinik. Es ist Dr. Meyers-Blake in Morristown. Sie ist gut. Eine Freundin hat mir von ihr erzählt.”
    “Myersblick?”, wiederholte ich. Ich hatte nie von ihr gehört.
    “Meyers-Blake”, wiederholte sie langsam und deutlich. “Mit Bindestrich.”
    Der Name sagte mir immer noch nichts. “Wie hast du das bezahlt? Unsere Versicherung –”
    “Tanner hat mir ein bisschen Geld geschickt”, unterbrach sie mich. “Aber keine Angst, die Ärztin akzeptiert unsere Versicherung. Ich habe mir extra eine gesucht, die das tut, damit die Versicherung zahlt, wenn es so weit ist.”
    Ich schwieg voller Erstaunen, dass sie die Sache so gründlich und umsichtig durchdacht hatte, wo sie doch andere Entscheidungen so impulsiv getroffen zu haben schien. Vor dem Fenster sah ich die dicke Eiche, auf die Shannon als Kind immer geklettert war. Ich vermisste sie so sehr. Doch ich wandte den Blick ab. Es ging um das Hier und Jetzt.
    “Ich bin stolz auf dich, dass du dich ganz allein um die Vorsorge gekümmert hast”, sagte ich. “Aber denk doch zumindest darüber nach, zu meiner Ärztin zu gehen.”
    “Nein”, lehnte sie ab. “Von jetzt an bin ich für mein Leben verantwortlich.”
    “Nun, hör zu, Liebes.” Es war Zeit für eine neue Taktik. “Abby Chapman, die Tochter von Ethan Chapman, sie ist sechsundzwanzig, und sie spricht gern mit dir darüber, wie sie damit umgegangen ist, als sie in deinem Alter schwanger wurde. Sie –”
    “Ich gehe gut damit um, Mom.” Sie klang verärgert. Ich spürte, wie ich sie verlor.
    “Ich weiß, dass du das tust”, beschwichtigte ich. “Aber sieh doch … sie hat … und vielleicht hast du an diese Möglichkeit noch nicht gedacht … sie gab ihr Baby zur Adoption frei, und sie –”
    “Mutter, würdest du bitte meine Entscheidung respektieren? Wie viele Male muss ich dir sagen, dass ich dieses Baby behalten werde? Ich hatte nicht vor, schwanger zu werden. Ich hatte nicht vor, meine College-Pläne über den Haufen zu werfen. Doch es ist nun mal geschehen, und ich werde damit

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