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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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“Es ist eine alte Brotbüchse. Sie war nicht sehr tief vergraben”, erklärte sie, um sie offenbar zu beruhigen, dass sie nicht ihren ganzen Garten umgraben würde. “Nur zehn oder zwanzig Zentimeter.”
    Ruth blickte zu ihrem Mann, der belustigt wirkte. “Ich hole eine Schaufel und eine Taschenlampe”, sagte er und ging zur Garage.
    Carter sah Julie an. Sogar in der Dämmerung erkannte ich, dass er die hübschen blauen Augen seiner Mutter hatte. “Was hast du in die Büchse hineingetan?”, fragte er.
    “Dinge, die ich gefunden hatte”, antwortete sie, während wir zu der Ecke des Hauses schlenderten. “Einfach nur ein paar idiotische Dinge.”
    Jim kehrte mit einer Gartenschaufel und einer hellen Halogenlampe zurück.
    “Du weißt aber”, meinte Ruth mit einem Blick auf die kleine Gartenschaufel, “dass die Leute im Lauf der Jahre neuen Sand aufgetragen haben. Als wir einzogen, ließen wir selbst mehrere Lasterladungen kommen. Wenn die Büchse noch da ist, könnte sie doch ganz schön tief liegen.”
    Julie nahm die Schaufel und kniete sich in den Sand. Sie blickte zur Hausecke und schien die Entfernung abzuschätzen. Mir war klar, dass sie sich auch nach all dieser Zeit genau erinnerte, wo sich die Brotbüchse befinden musste. Mit der Schaufel schob sie ein paar Zentimeter losen Sand zur Seite. Dann hielt sie die Schaufel mit der Spitze nach unten und bohrte die Klinge in den Grund. Wir hörten, wie sie auf etwas traf.
    “Oh, mein Gott”, sagte Julie. “Sie ist noch da.”
    Wir saßen alle auf dem Boden, und Carter und ich halfen, den Sand mit unseren Händen zur Seite zu schaufeln, während Julie mit der Schaufel grub und Jim die Lampe hielt. Schließlich hatten wir den Deckel freigelegt. Julie fasste ihn an einem Ende, ich am anderen.
    Julie sah mich über die Büchse hinweg an. “Eins, zwei, drei”, gab sie das Kommando, und wir hoben gemeinsam den Deckel, wobei etwas Sand auf den Inhalt regnete.
    Carter griff hinein, und ich hätte ihn am liebsten davon abgehalten. Dies hier war Julies Schatz. Ich wünschte ihr, dass sie die Büchse selber auspacken konnte.
    Ruth schien meine Gedanken gelesen zu haben. “Warte, Carter”, wies sie ihn zurecht. “Lass das Julie machen, denn schließlich gehört die Büchse ihr. Vielleicht darfst du sie danach für dein eigenes Spielzeug oder andere Sachen benutzen.”
    Julie nickte Ruth dankbar zu. “Natürlich darfst du sie dann benutzen”, sagte sie zu Carter. “Nach heute Abend gehört sie dir.”
    “Oh, gut.” Carter setzte sich zurück und faltete die Hände im Schoß. Was für ein braves Kind.
    Ich merkte, wie sehr Julie darauf brannte, die Überreste ihres alten Lebens zu sichten, doch ich musste plötzlich auf die Toilette und konnte an nichts anderes denken. Ich wünschte mir, dass die Antibiotika endlich wirken und die Infektion in Schach halten würden. Gerade wollte ich mich entschuldigen, als Julie plötzlich aufquiekte. Sie griff in die Büchse und zog einen winzigen Babyschuh aus Leder heraus. Vermutlich war er einmal weiß gewesen, doch im Licht der Halogenlampe hatte er einen gelb-orangen Schimmer.
    “Oh, mein Gott! Den habe ich in dem seichten Wasser gefunden, wo Grandpop immer seine Killi-Fallen auslegte.” Julie sah über die Büchse hinweg zu Ethan und lächelte. “Und wo Ethan sein Meeresforschungslaboratorium hatte.”
    Ethan lachte. “Ach ja”, meinte er lachend. “Das hatte ich ganz vergessen.”
    “Funktionierte dein Mikroskop noch, nachdem ich … du weißt schon?”, fragte sie, und ich begriff, dass sie auf etwas anspielte, von dem nur sie beide wussten.
    “Es war völlig in Ordnung”, beruhigte Ethan sie.
    Julie griff erneut in die Brotbüchse. “Und seht euch das an!”, sagte sie, als sie eine alte Schallplatte herausholte, eine Single. Sie hielt sie näher an die Lampe und lachte. “Neil Sedaka. ‘Happy Birthday Sweet Sixteen’“, las sie vor. “Ich habe keine Ahnung, wo ich die herhatte.”
    Ich musste unterbrechen. “Tut mir leid, aber ich muss zur Toilette.” Ich erhob mich. “Ich gehe zu Ethan rüber und bin gleich –”
    “Nehmen Sie unsere”, bot Ruth ihr an und nickte in Richtung Haus. “Na los.”
    “Danke”, erwiderte ich. Ich ging die zwei Stufen zur Veranda hinauf, stieß die Fliegengittertür auf und lief dann den Flur entlang Richtung Badezimmer. Hinter mir hörte ich noch einen überraschten Entdeckungsschrei meiner Schwester.

42. KAPITEL
    J ulie
    Die Dinge in der Kiste zu sichten

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