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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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mich hinunter an die Küste. Ich wollte sehen, woran ich mich erinnerte.
    Aus verschiedenen Gründen hatte ich mir gewünscht, dass Shannon und Tanner bei uns wären. Ich wollte, dass meine Nichte einen wichtigen Teil der Kindheit ihrer Mutter kennenlernte. Mehr noch aber dachte ich, dass sowohl Julie als auch ich mehr Zeit mit Shannon und Tanner benötigten. Das Bisschen, das ich von Tanner kannte, gefiel mir. Ich hatte ihn nur bei dem Barbecue erlebt, doch er hatte Eindruck auf mich gemacht, und ich fand, dass Shannon es wesentlich schlechter hätte treffen können als mit diesem intelligenten, aufgeschlossenen – nicht zu vergessen: gut aussehenden – jungen Mann. Der allerdings nicht ansatzweise jung genug war; in diesem Punkt musste ich Julie zustimmen. Doch nicht wir hatten die Wahl zu treffen. Was mir das Herz schwer machte und Julie fast umbrachte, war die Tatsache, dass Shannon so weit fort ziehen wollte. Ich wusste noch, wie es war, jung und verliebt zu sein und sich nach Unabhängigkeit zu sehnen. Besuche zu Hause waren das Letzte, was man im Sinn hatte.
    “Weißt du”, sagte ich jetzt zu Julie, “wir müssen einfach selber ein paarmal im Jahr nach Colorado fahren. Und Mom nehmen wir mit.”
    “Was?” Sie blickte mich verwirrt an, bevor sie auflachte. “Ach, du bist wieder bei dem Thema.” Wir hatten die meiste Zeit während der Fahrt über Shannon und Tanner gesprochen, doch ich begriff, dass Julie jetzt gedanklich ganz bei unserer alten Nachbarschaft und bei Ethan war. “Ich habe nicht vor, ein paarmal im Jahr nach Colorado zu fahren”, entgegnete sie, “weil ich nicht vorhabe, Shannon gehen zu lassen.”
    “Sie ist schwanger”, protestierte ich. “Wenn sie es will, wird sie ganz legal für mündig erklärt und kann tun, was sie will.”
    “Können wir später darüber sprechen?”, bat sie, während wir ein weiteres Mal abbogen.
    “Sicher”, gab ich zurück. Wir befanden uns seit Kurzem in dieser leidigen Auseinandersetzung, dass Julie von Shannons Umzug nichts wissen wollte und ich versuchte, ihn ihr schmackhaft zu machen. “Tut mir leid, wenn ich dich damit nerve”, fügte ich hinzu.
    Zu unserer Rechten blitzte zwischen einigen Häusern der Kanal auf.
    “Oh!”, rief ich aus. “Ist dies unsere alte Straße?”
    “Hm-hm.”
    “Wow. Ich hätte sie niemals wiedererkannt. Wo sind nur all diese Häuser hergekommen?”
    Julie hielt vor einem gelb-weiß gestrichenen Haus. “Erkennst du es wieder?”
    Tat ich nicht. “Ist das unseres?” Das Haus sagte mir absolut nichts.
    Sie nickte.
    Ich blickte zu dem blau bemalten Briefkasten mit dem Segelboot oben drauf. “Jemand liebt dieses Haus”, stellte ich fest.
    “Und das hier ist Ethans Haus”, erklärte Julie, als sie in die nächste Auffahrt fuhr. Sie öffnete die Wagentür, bevor sie überhaupt den Motor abgestellt hatte. Ihre Veränderung war wirklich auffällig. Ich wusste, dass sie wütend war wegen Shannon und dass die Vergangenheit sie so stark belastete wie lange nicht mehr. Doch zugleich strahlte sie eine Freude aus, die ich noch nie zuvor an ihr bemerkt hatte, nicht einmal als sie damals als junges Mädchen in Glen verliebt war. Und der Anlass für diese Freude kam direkt aus dem Haus zu uns, umarmte Julie innig und küsste sie. Ich musste unwillkürlich lächeln.
    “Willkommen, Lucy!”, begrüßte Ethan mich mit einer kürzeren und oberflächlicheren Version jener Umarmung, die meiner Schwester zuteilgeworden war.
    “Hallo, Ethan”, sagte ich. “Ich sehne mich nach einer Toilette.”
    Er lachte und zeigte in Richtung Haus. “Halb den Flur hinunter und dann rechts”, erklärte er. “Wir treffen uns im Garten.”
    Als ich Ethans Badezimmer verließ, ging ich in den hinteren Teil des Hauses. Durch die offenen Jalousien im Wintergarten erblickte ich den Kanal, und plötzlich wirkte alles vertraut. Ich ging hinaus zu Ethan und Julie, die an dem Maschendrahtzaun lehnten und dem Wochenendbetrieb der Boote auf dem Wasser zusahen. Mir wurde fast schwindlig bei dem Déjà-vu. Die Strömung war so stark, und ich erinnerte mich an meine Angst davor. Ich hatte Albträume gehabt, in denen ich in den Kanal fiel und vom Wasser mitgerissen wurde, während ich erfolglos versuchte, in eines der Docks zu schwimmen.
    Ein Schauer überlief mich, als ich mich neben meine Schwester stellte.
    “Huuu.” Ich schüttelte mich. “Ich erinnere mich, wie viel Angst ich vor dem Wasser hatte.”
    Julie legte den Arm um mich. “Das hattest

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