Der Tod meiner Schwester
kaufen”, sagte Ruth.
Wir gingen die paar Schritte ins Wohnzimmer, das hellgelb gestrichen war und in dem Sessel und Sofas in verschiedenen blau-gelben Mustern standen. Vor den Fenstern hingen transparente weiße Vorhänge.
“Das Zimmer wirkt viel offener als damals”, stellte ich fest.
“Da hast du recht”, bestätigte Julie. “Ich glaube, es war dunkler gestrichen. Es gefällt mir gut so.”
“Wir haben hier immer Onkel Wiggly gespielt”, erinnerte sich Ethan.
“Wie bitte?”, fragte Ruth lachend.
“Das war ein Brettspiel”, erklärte Julie.
Ich sah hinunter auf das Eichen-Laminat zu meinen Füßen. “Hier lag damals Linoleum.” Dann erblickte ich die Treppe an der Seite des Zimmers. “Seht mal!”, rief ich. “Richtige Stufen!”
Julie lachte. “Wir hatten eine ausklappbare Treppe, als wir klein waren”, ließ sie Ruth wissen. “Lucy hatte furchtbare Angst davor.”
“Möchten Sie sich gerne auch oben umsehen?”, fragte Ruth.
“Wenn es Ihnen recht ist?” Julie nahm ihr Haar im Nacken zusammen, wie sie es oft tat, wenn eine Hitzewallung sie überkam. “Der Dachboden war offen, als wir klein waren”, fuhr sie fort. “Nur ein Haufen Betten, die mit Vorhängen voneinander abgetrennt waren.”
“Wie in einem Schlafsaal?”, erkundigte sich Ruth.
“So ähnlich.”
Wir drei folgten Ruth nach oben, wo wir uns überzeugen konnten, wie sehr sich der Dachboden verändert hatte. Nun beherbergte er ein Büro mit drei Dachfenstern, ein großes Spielzimmer, zwei kleine Schlafzimmer und ein Badezimmer mit Dusche. Alles sah sauber und ordentlich und gepflegt aus. Hier war es wirklich schwer, von schlechten Erinnerungen heimgesucht zu werden, dachte ich. Es gab nichts mehr von der Vergangenheit, das sie hätte auslösen können.
Ich wollte fragen, ob ich das Badezimmer benutzen dürfe. Im Moment ging es mir noch gut, doch ich wusste, dass sich mein Harnwegsinfekt jede Minute melden konnte. Doch Julie, Ethan und Ruth gingen bereits wieder die Treppe hinunter. Ich konnte warten.
Als wir wieder unten waren, wandte sich Julie an Ruth. “Es macht mich wirklich glücklich zu sehen, wie wunderbar das ganze Haus aussieht”, schwärmte sie. “Man sieht, dass Sie gern hier wohnen.”
“Das tun wir”, bekräftigte Ruth und führte uns durch die französische Tür auf die Veranda. “War die Veranda schon mit Fliegengitter geschützt, als Sie hier wohnten?”, wollte sie wissen.
“Ja”, sagte Julie und sah von einem Ende zum anderen. “Hier haben wir die meiste Zeit verbracht.”
Ich erinnerte mich an die Veranda. Verglichen mit dem Haus hatte sie sich am wenigsten verändert, vielleicht weil man noch immer den gleichen Blick in den kleinen sandigen Garten und auf das Wasser hatte. Ein langer Holztisch und sechs mit Leder bezogene Stühle standen dort, wo unser alter Tisch gewesen war. Weiße Schaukelstühle aus Weiden-Imitat, ein Zweiersofa und kleine Tische füllten den restlichen Platz.
Im Garten saß der kleine Junge, den ich im Wasserbecken gesehen hatte, zusammen mit einem Mann in einem Korbsessel. Offenbar las ihm der Mann im schwindenden Licht gerade vor. Nichts machte mich glücklicher als Eltern, die ihrem Kind vorlasen.
Ruth musste gesehen haben, dass ich sie beobachtete. “Kommen Sie, lernen Sie meine Familie kennen.”
Wir gingen nach draußen. Der Sand im Garten war bereits abgekühlt und fühlte sich gut an unter meinen Füßen. Als der Mann uns kommen sah, standen er und der Junge auf.
“Hallo, Ethan”, begrüßte uns der Mann. “Und dies müssen die früheren Bewohnerinnen sein.”
Ethan stellte uns Ruths Mann Jim vor und ihren siebenjährigen Sohn Carter. Wir plauderten ein paar Minuten über das Haus und die Gegend und hielten uns die Moskitos vom Leib, während es immer dämmriger wurde.
Julies Blick wanderte zu einer Ecke des Gartens dicht am Haus. “Als ich klein war”, sie deutete zu der Ecke, “habe ich dort drüben einen Schatz vergraben.”
“Einen Schatz?” Carter blickte zum ersten Mal während des Gesprächs interessiert.
Julie nickte.
“Könnte er noch dort sein?”, fragte Ruth.
Julie zuckte die Achseln. “Ich weiß nicht. Vielleicht hat ihn jemand in den letzten vierzig Jahren gefunden, oder man musste Arbeiten am Fundament vornehmen lassen und er wurde zerstört.”
“Oder er ist vielleicht doch noch da”, sagte Ethan. Er gab Julie einen leichten Schubs. “Möchtest du dich davon überzeugen?”
Julie blickte unsere Gastgeber an.
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