Der Tod meiner Schwester
verpackt, die ich zusammen mit seinen Möbeln einlagern wollte, bis ich die Zeit finde, alles durchzusehen und zu entscheiden, was ich verkaufen und was ich behalten will.”
“Ich nehme an”, warf ich vorsichtig ein, “dass sie nach DNA-Spuren suchen.”
Er schwieg einen Moment. “Wie könnte ihnen das nach all dieser Zeit helfen?”
“Ich bin nicht sicher. Vielleicht haben sie damals Spuren am Tatort gesichert.” Ich wusste, dass man heutzutage alle Rückstände an den Händen von Mordopfern sorgfältig eintütete, weil sie eventuell DNA-Spuren vom Täter enthielten, doch ich wusste nicht, ob man das schon 1962 getan hatte.
“Aber Isabel war im –” Ich wusste, dass er sich meinetwegen auf die Zunge biss.
“Im Wasser”, beendete ich den Satz für ihn. “Ich weiß. Ich habe keine Ahnung, welche Konsequenzen das für die Spurensuche hat.” Ich wollte nicht weiter darüber sprechen, eher seinet- als meinetwegen.
“Bist du wütend?”, fragte ich.
“Nicht auf dich”, antwortete er. “Ich weiß zwar, dass du und ich auf unterschiedliche Ergebnisse hoffen, aber ich schätze … ich mache mir einfach Sorgen.”
“Dass sie erfahren, dass es Ned war?”
“Nein, ich weiß, dass das nicht sein kann”, sagte er mit einem leicht sturen Unterton in seiner warmen Stimme. “Aber ich mache mir Sorgen, dass sie irgendwelche Indizien so interpretieren, dass sie – zu Unrecht – zu diesem Schluss kommen. Ich meine, ich habe keine Ahnung, wie sie die DNA des Täters nach all dieser Zeit an deiner Schwester sichern wollen. Doch sie war immer mit Ned zusammen, und insofern ist es natürlich möglich, dass sie seine DNA auf ihr finden.”
Oder in ihr
, dachte ich, sprach es aber nicht aus.
“Und wie ich schon sagte, mache ich mir auch Sorgen, dass mein Vater in diese Sache hineingezogen wird.”
“Ich weiß”, sagte ich, “und es tut mir leid, dass dies so schwer für dich ist. Aber lass uns die Probleme nicht vorwegnehmen. Einen Schritt nach dem anderen.”
“Da hast du recht”, stimmte er zu. “Und weißt du, dass die Sache auch ein Gutes hat?”
“Was denn?”
“Es war schön, dich zu sehen, Julie. Auch wenn es kein leichtes Gespräch war, so war es doch ein Vergnügen, mit dir zu lunchen.”
Ich lächelte und spürte, wie ein unerwarteter Schauer der Erregung durch meinen Körper schoss. “Das ging mir auch so”, stimmte ich zu.
“Ich erinnerte mich an einige Dinge über dich”, sagte er. “Bist du immer noch so eine großartige Schwimmerin?”
“Ehrlich gesagt schwimme ich gar nicht mehr”, gestand ich. “Nach jenem Sommer verlor ich das Interesse.”
“Tatsächlich?”, wunderte er sich. “Du warst so gut darin. Ich erinnere mich daran, wie du und ich um die Wette über den Kanal schwammen.”
Ich lachte. Das hatte ich vergessen. Wir waren erst zehn Jahre alt gewesen in jenem letzten Sommer, in dem wir noch befreundet waren. Wir waren klug genug gewesen, das Totwasser abzuwarten, und für unser Alter konnten wir wirklich außergewöhnlich gut schwimmen, doch wir bekamen eine Menge Ärger.
“Ich durfte eine Woche lang nicht einmal in die Nähe des Wassers”, erzählte ich ihm.
“Und ich musste das ganze Haus staubsaugen.” Ethan lachte.
“Ich glaube nicht, dass ich danach je wieder im Kanal schwamm”, überlegte ich. “Wenn unser Boot draußen war, ging ich immer in unserem Dock schwimmen, aber nicht im Kanal.”
“Ach, das ist nicht wahr”, widersprach Ethan.
“Was meinst du?”
“Ich erinnere mich, wie du dich in einem Autoreifen den Kanal hast hinuntertreiben lassen.”
Ich brauchte einen Moment, um mich zu erinnern, doch dann hatte ich das Bild sofort vor Augen. “Das hatte ich vergessen”, sagte ich lachend, auch wenn die Erinnerung nicht nur Freude, sondern auch Traurigkeit hervorrief, weil sie so sehr mit Isabel verknüpft war. Und obwohl Ethan und ich noch viele andere gemeinsame Erinnerungen auferstehen ließen, war es dieses Bild, das mich den Rest des Tages begleitete.
11. KAPITEL
J ulie
1962
Es war an einem Wochentag in Bay Head Shores, was bedeutete, dass unser Vater zu Hause in Westfield war. Wir hatten gerade zu Ende gefrühstückt, und Grandpop war schon in der Garage, um an irgendwas herumzuwerkeln, während Grandma begann, den Tisch abzuräumen, obwohl meine Mutter sie ermahnt hatte, sich eine Weile auszuruhen. Ich stand auf, um Grandma zu helfen, doch Mom befahl mir, dass ich bleiben sollte, wo ich war, sodass ich mich wieder
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