Der Tod meiner Schwester
Kaufhaus Abramowitz in der Stadt arbeitete und deshalb nicht jeden Tag am Strand liegen konnte. Sie stahl in dem Kaufhaus, dessen war ich sicher. Ein- oder zweimal die Woche kam sie mit neuen Sachen nach Hause. Gestern hatte sie zwei neue BHs mitgebracht. Als sie mit Mitzi und Pam unterwegs war, hatte ich einen anprobiert und die spitzen Körbchen mit Toilettenpapier ausgestopft, um zu sehen, wie ich mit richtigen Brüsten aussah, doch es wirkte nur lächerlich. Ich versuchte außerdem, einen ihrer Tampons zu benutzen, damit ich beim nächsten Besuch meiner “Freundin” bereit wäre. Der Tampon war riesig in seiner Papphülle, und ich hatte es nicht geschafft, ihn hineinzubekommen. Es war, als würde man einen dicken Filzstift gegen eine Mauer drücken. Ich hatte Angst und fragte mich, ob irgendwas mit mir nicht stimmte und ich niemals mit meinem Ehemann schlafen und Babys bekommen könnte.
“Der große ist für mich reserviert”, sagte Isabel und meinte damit den einen Reifen.
“Ist mir egal”, erwiderte ich. Ich wusste, welchen sie meinte. Er war größer und dicker als die anderen und gab einem das Gefühl, auf einer Wolke zu schweben. Doch ich würde mich nicht mir ihr darum streiten.
Als wir auf die Rue Mirador bogen, holte Isabel ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche in ihrem Schoß, schüttelte eine halb hervor und zog sie mit den Lippen endgültig heraus. Sie drückte den Zigarettenanzünder hinein und wartete.
Ich war wie vor den Kopf geschlagen. “Hat Mom dir erlaubt, zu rauchen?”
“Sie raucht selbst, also was kann sie schon sagen?”, gab Isabel zurück. Sie hielt mir das Päckchen hin. “Willst du eine?”
Ich zögerte und nahm dann eine der Zigaretten, die ich plump aus dem Päckchen fingerte. Ich steckte sie zwischen die Lippen.
“Aber ich werde sie nicht anzünden”, verkündete ich.
“Warum hast du sie dann genommen?” Sie lachte und zog den Zigarettenanzünder heraus. Sie hielt ihn gegen ihre Zigarette und inhalierte tief, als das Ende orange wurde.
Ich zuckte die Achseln. “Ich weiß nicht”, sagte ich, obwohl ich es wusste. Ich wollte einfach mit ihr zusammen sein. Wollte etwas mit ihr teilen. Wollte sein wie sie.
“Ich kriege heute Abend das Bett auf der Veranda”, kündigte sie an.
“Ich weiß.” Sie und ich wechselten uns damit ab, bei gutem Wetter auf der Veranda zu schlafen. Ich musste noch immer mein Bettzeug unter die Decke stopfen, um Lucy etwas vorzumachen. Ich war sicher, dass sie die Sache durchschaute, aber dennoch schien es sie zu trösten. Solange ich das tat und das Licht anließ, kam sie nachts besser klar da oben.
“Was vergräbst du im Garten?”, fragte Isabel unvermittelt und bog mit dem Wagen in die Bridge Avenue ein.
“Was meinst du?”, fragte ich unschuldig zurück.
“Ich habe gesehen, wie du etwas an der Ecke zum Haus vergraben hast. Was war das?”
Verdammt. Wenn ich ihr nicht die Wahrheit sagte, würde sie vermutlich selber dort graben, um ihre Neugierde zu befriedigen, und meine Brotbüchse voller Beweise finden.
“Das ist meine Nancy-Drew-Büchse”, erklärte ich.
“Häh?” Sie warf mir einen dieser “Wovon redest du überhaupt?”-Blicke zu, während sie den Rauch durch die Nasenlöcher ausstieß. Sie erinnerte mich an einen Drachen.
“Wenn ich etwas finde, das ein Beweis in einem Kriminalfall sein könnte, packe ich es in eine Büchse, die Grandpop dort für mich vergraben hat.”
“Ein Beweisstück in einem Kriminalfall? Was für ein Kriminalfall?”
“Nun, das weiß ich noch nicht. Manchmal findet man Dinge, und später, wenn es einen Kriminalfall gibt, entdeckst du, dass du vielleicht ein Beweisstück gefunden hast, das der Polizei hilft, den Fall zu lösen.”
Isabel lachte. “Du bist eine Idiotin, weißt du das? Du wirfst also jedes alte Ding, das du findest, in diese Büchse und wartest darauf, dass irgendwas Geheimnisvolles passiert?”
“Nicht jedes alte Ding”, schnappte ich beleidigt. Ich dachte an den Pingpong-Ball, den ich im Kanal gefunden hatte. Vielleicht
war
ich unkritisch gewesen, doch gute Beweisstücke waren schwer zu finden. Ich wollte nicht, dass Isabel meine Theorie zerstörte. Insgeheim wusste ich, dass es den erhofften Kriminalfall niemals geben würde, doch ich hatte Spaß daran, so zu tun, als ob. Grandpop hatte das verstanden.
“Du benimmst dich echt wie eine Zwölfjährige, weißt du das?” In Isabels Stimme schwang Verachtung mit.
“Das ist zufällig auch mein Alter”,
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