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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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hinsetzte. Sie schüttelte eine Zigarette aus ihrer Packung Kents, zündete sie an und blies den Rauch in die Luft über dem Tisch.
    “Ich habe eine Idee, was wir heute machen können, Mädchen”, sagte sie zu uns dreien.
    “Was?” Lucy klang argwöhnisch. Was auch immer es war, sie war bereit, Nein zu sagen.
    “Achtet mal auf die Strömung”, sagte Mom, und ich drehte mich um, um durch das Gitter zum Kanal zu sehen. Die Strömung war schwach, langsam zog das Wasser in Richtung Bucht.
    “Was ist damit?”, fragte Isabel. Sie hielt sich eine Haarlocke vor die Augen und inspizierte sie vermutlich auf gespaltene Spitzen.
    “Nun”, meinte Mom, “wie wäre es denn, wenn wir nach einer kurzen Verdauungspause die großen Autoreifen nehmen würden und uns darin mit der Strömung bis zur Bucht treiben ließen?”
    “Scharf!”, rief ich. Das war eine großartige Idee.
    “Du machst Witze”, sagte Isabel, doch ich wusste, dass sie neugierig geworden war. Es war nicht leicht, Isabel für irgendeine Art von Familienunternehmung zu interessieren, und es beeindruckte mich, dass meine Mutter etwas so Aufregendes vorgeschlagen hatte, dass sogar ihre älteste Tochter dabei sein wollte.
    Grandma lachte und setzte sich wieder an den Tisch. Die Hausarbeit war vergessen. “Ich erinnere mich, wie du und Ross das immer gemacht habt”, sagte sie zu meiner Mutter. Sie rollte das R in Ross auf eine Art, dass der Name sehr nett klang. Dennoch war ich überrascht von ihren Worten. Ebenso Isabel.
    “Du und
Mr. Chapman
habt euch in den Reifen zur Bucht treiben lassen?”, fragte sie ungläubig.
    “Als wir Kinder waren”, bestätigte meine Mutter.
    Ich vergaß immer, dass meine Mutter ihre Kindheitssommer in unserem Bungalow verbracht hatte. Ihr Vater – unser Grandpop – hatte das Haus in den zwanziger Jahren selbst gebaut, und wenig später waren die Chapmans nebenan eingezogen. Mr. Chapman und unsere Mutter waren als Kinder Freunde gewesen, so wie ich und Ethan befreundet gewesen waren.
    “Wir waren fünfzehn oder so”, fuhr meine Mutter fort. “Das eine Mal ließen wir uns den ganzen Weg bis zum Fluss treiben.”
    “Tss, tss.” Meine Grandma schüttelte den Kopf. “Weißt du noch, wie wütend ich war, als ich bemerkte, was ihr getan habt?”
    Mom lächelte ihr zu und wandte dann den Kopf zur Seite, um den Rauch nicht über den Tisch, sondern über ihre Schulter zu blasen. “Ich hab’s überlebt”, sagte sie leichthin.
    “Nun, ich gehe nicht mit”, kündigte Lucy an. Allerdings war das keine Überraschung, sodass ihr niemand besondere Aufmerksamkeit schenkte.
    “Der Kanal war damals anders”, erinnerte sich Grandma. “Es gab keine Spundwand, sodass man vom Garten aus direkt hineingehen konnte. Und natürlich gab es früher viel weniger Boote als heute.”
    “Mensch.” Ich wandte den Kopf, um erneut zum Wasser zu sehen, und stellte mir vor, wie es an unseren sandigen Garten schlug. Ich hätte es gerne erlebt.
    “Die Reifen sind ein wenig weich”, gab Isabel zu bedenken.
    Wir hatten vier große schwarze Autoreifen in der Garage. Ethan und ich hatten uns damit früher immer im Dock treiben lassen, Arme und Beine baumelten zur Seite. Doch dieses Jahr hatte ich noch nicht einmal an die Reifen gedacht. Es machte keinen Spaß, allein im Dock zu spielen. Meine Einsamkeit wuchs von Tag zu Tag. Ich dachte mir Geschichten über den Mann mit dem Hahn aus, doch ich hatte keine Freunde, denen ich mit diesen unheimlichen Geschichten Angst einjagen konnte. Ich traute mich nicht, sie Lucy zu erzählen und sie noch panischer zu machen, als sie es sowieso schon war.
    “Bring doch die Reifen mit Julie zusammen zur Tankstelle und lass sie aufblasen”, schlug Mom vor, während sie ihre Zigarette in dem großen Muschelaschenbecher auf dem Tisch ausdrückte. “Bis ihr zurück seid, sollte die Strömung perfekt sein für unser Abenteuer.”
    Nachdem wir beim Abräumen geholfen hatten, gingen Isabel und ich in die Garage, holten die vier großen Reifen heraus und hievten sie auf den Wagen. Isabel startete den Motor und drehte am Knopf des Radios, bis sie “Johnny Angel” gefunden hatte und wir beide mitsangen. Es war schön, diese Verbindung zu meiner Schwester zu haben. Ich betrachtete ihre bloßen Arme am Steuer, während wir aus der Auffahrt fuhren. Ihre Haut war samtig und dunkel, meine Arme wirkten dagegen blass und wabbelig. Isabel fand ihre Bräunung nur mittelmäßig, weil sie in diesem Sommer drei Tage die Woche im

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