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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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geschehen würde. Sein Freund sagte, dass sie den Fall vermutlich neu aufrollen würden, was ich auch erwartet hätte. Doch das bedeutet, dass sie alle Beteiligten noch einmal befragen. Das beträfe vermutlich mich, was natürlich in Ordnung ist. Außerdem Ethan, Ned und Izzys Freunde. Und Mr. Chapman, was Ethan Sorgen bereitet.” Sie biss sich auf die Lippe und sah mich eindringlich an. “Und vielleicht Mom.”
    “Oh”, sagte ich nur.
    “Genau. Ich hoffe, dass es nicht so weit kommt. Ich würde ihr überhaupt gern vorenthalten, was hier passiert. Ich sehe schon vor mir, wie man sie mit Fragen bombardiert, und dann hat sie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall oder –”
    “Julie!”
, unterbrach ich sie lachend. Einer der Gründe, warum meine Schwester fesselnde Bestseller schrieb, war ihre Einbildungskraft, mit der sie jede Situation zu einem Katastrophenszenario ausmalte. Ich fürchtete schon die Schreckensbilder, die sie malte, wenn sie erst einmal von Shannons Schwangerschaft erfuhr. Ihre Fähigkeit, jedes Ereignis zu einer Katastrophe weiterzudenken, hatte auch zu Glens Klagen über sie gehört.
Sie macht sich immer über alles Sorgen
, hatte er mir vorgejammert.
Sie gönnt sich niemals etwas Spaß
. Auch wenn der Vorwurf einen wahren Kern hatte, machte es mich dennoch wütend, dass er sich niemals die Mühe machte, den Ursprung dieser Sorgen zu verstehen.
    “Wenn Mom befragt werden muss, wird sie das gut überstehen”, tröstete ich sie. “Sie würde auch wollen, dass die Wahrheit ans Licht kommt.” Meine Stimme klang überzeugend, doch auch ich hoffte, dass unsere Mutter nicht in eine neue Untersuchung hineingezogen wurde.
    “Ich möchte einfach nur nicht, dass sie noch mehr verletzt wird”, sagte Julie. Sie zog ein Taschentuch aus der Hosentasche, nahm ihre Brille ab und begann sie zu putzen.
    “Sie wird es überstehen”, beruhigte ich sie. “Glaubst du, dass sie mich befragen wollen?”
    “Das bezweifle ich”, erwiderte sie. “An was erinnerst du dich denn von der ganzen Situation?” Sie hielt die Brille gegen das Licht und setzte sie dann wieder auf.
    Ich schüttelte den Kopf. “Fast nichts. Ich erinnere mich an überhaupt wenig von der Küste. Du weißt, wie ich war – ich hielt mich immer im Hintergrund, während alle schwimmen gingen oder mit dem Boot hinausfuhren oder was auch immer.” Es war, als ob ich gar nicht richtig da gewesen wäre. Ich nahm an, dass ich die meisten Erinnerungen an jenen schlimmsten Sommer, den meine Familie hatte durchleben müssen, verdrängt hatte. “Ich erinnere mich aber an den Tag, als du den riesigen Aal gefangen hast und Ethan die Eingeweide haben wollte.”
    Julie lachte, und wieder erschien die Röte auf ihren Wangen. Das machte mich argwöhnisch. Vielleicht hätte ich jene Andeutung von Verliebtheit in ihrem Gesicht nicht erkannt, wenn ich nicht gerade den gleichen Ausdruck bei ihrer Tochter gesehen hätte.
    “Wie ist er denn heute so?”, forschte ich. “So merkwürdig wie damals?”
    Sie wich meinem Blick aus. “Er war nett”, sagte sie, und ich hatte den Eindruck, dass sie ein Lächeln unterdrückte. “Er … er sah gut aus. Ich habe ihn zuerst gar nicht erkannt. Er ist Tischler und hat einen eindrucksvollen Körper.”
    “Du machst Witze.” Ich versuchte mir den dürren, linkischen Jungen aus meiner Erinnerung mit einem eindrucksvollen Körper vorzustellen.
    “Und er hat sich wohl die Augen lasern lassen, denn er trug keine Brille. Seine Augen sind sehr blau.”
    “Hallo”, sagte ich, stellte die Füße wieder auf den Boden und beugte mich vor. “Hast du dich in ihn verliebt oder was?” Seit ihrer Scheidung hatte Julie keinerlei Interesse an Männern gezeigt.
    Lachend schüttelte sie den Kopf. “Er sah nur besser aus, als ich es erwartet hatte, das ist alles.”
    “Wenn du das sagst”, meinte ich lächelnd. Es gefiel mir, sie so lebendig und fröhlich zu sehen. Es mochte ein schwieriges Gespräch gewesen sein, doch alles in allem schien ihr das Treffen mit Ethan Chapman gutgetan zu haben. Ihre Tochter zu sehen würde dagegen völlig anders sein. Für den Rest unseres Gesprächs konnte ich Shannon nicht aus meinen Gedanken verbannen. Ich saß dort mit meiner Schwester und kannte ein Geheimnis, das ihre Welt erschüttern würde. Es war so, als ob man jemandes Foto auf der Seite mit den Sterbeanzeigen sah. Man wollte ihn warnen.
Du weißt es noch nicht, aber du wirst am 3. März 2003 von einem Lkw überfahren.
Ich hörte meiner

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