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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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geschenkt.
    “Ich hatte es dir zu einer besonderen Gelegenheit geben wollen”, verriet er mir. “Aber diesen Fisch zu fangen war ziemlich besonders.”
    Vermutlich war es mein Gespräch mit Grandpop, das mich veranlasste, das Fernglas auf die schwarzen Angler auf der anderen Kanalseite zu richten. Dort sah ich das Mädchen. Sie stand dicht am Dock, das die Angelzone von der Hütte des Hahnen-Mannes trennte. Sie beugte sich vor und fummelte irgendwie an ihrer Angel herum. Vielleicht richtete sie den Köder aus. Wie alt war sie? Ich musterte sie eingehend und drehte das kleine Rad an dem Fernglas, um sie noch näher an mich heranzuzoomen. Ich konnte nicht besonders gut erkennen, wie sie aussah, doch sie war ungefähr in meinem Alter, da war ich sicher.
    Ich ging in die Garage, nahm meine Angel und mein Fischmesser, zog eine Schachtel mit Tintenfisch aus dem Kühlschrank, sprang in das Boot und fuhr über den Kanal, noch bevor ich groß darüber nachdenken konnte. Ich steuerte in das Dock neben dem Mädchen. Ich war nervös, aber auch voller Vorfreude. Vielleicht hatte sie Sinn für Abenteuer. Vielleicht konnte sie meine Freundin werden, so wie Willie der Freund meines Großvaters gewesen war. Ich hatte es so satt, allein zu sein.
    Ich vertäute das Boot an der Leiter am Dock und kletterte dann mit meiner Angel und meinem Eimer hoch. Das Fernglas hing mir noch immer um den Hals. Sechs Menschen waren dort oben. Neben mir standen das Mädchen, das hoffentlich meine zukünftige Freundin wurde, ein älterer Junge und eine Frau – vermutlich ihre Mutter. Etwas weiter weg gab es noch drei Männer. Alle wandten den Kopf und starrten mich an. All diese schwarzen Gesichter. Es war, als würde ich in Afrika aus dem Boot steigen. Niemals zuvor hatte ich mich so weiß und so fehl am Platze gefühlt.
    Ich musste mich zwingen, die letzten Stufen zu dem Mädchen hochzugehen.
    “Hi!”, begrüßte ich sie gekünstelt fröhlich und viel zu laut. “Was beißt denn so an?”
    Das Mädchen starrte mich verständnislos an, als ob sie kein Englisch verstand. Ihre Haut war sehr dunkel, und ihre großen Augen hatten das gleiche tiefe Braun. In ihrem Haar trug sie viele bunte Haarspangen, die wie Schleifen aussahen. Sie war kleiner als ich und vielleicht ein bisschen jünger, nahm ich an. Sie wirkte ganz pfiffig, doch offenbar schien sie nichts sagen zu wollen, sodass meine Begrüßung noch immer in der heißen Juliluft hing.
    Der ältere Junge neben dem Mädchen sah mich argwöhnisch an.
    “Was machst
du
denn hier?”, fragte er.
    “Ich wollte nur zur Abwechslung mal auf dieser Seite des Kanals angeln”, erklärte ich mit einem nervösen Kichern.
    “Es ist schon schwer genug für uns, ausreichend Fische zu fangen, ohne dass du uns auch noch den Platz wegnimmst”, beschwerte sich der Junge.
    “Still, George”, ermahnte ihn die Frau und legte ihm eine Hand auf den muskulösen Unterarm. “Ich bin Salena”, stellte sie sich vor. “Wie heißt du, Liebes?”
    “Nancy”, log ich. Ich blickte zu dem Mädchen, das fast in meinem Alter war. “Wie heißt du?”
    “Wanda”, antwortete sie. Ihre Stimme war hoch und wurde bei der zweiten Silbe des Namens sogar noch ein wenig höher.
    “Wie alt bist du?”, fragte ich weiter.
    “Elf”, erwiderte sie. Ich konnte mich kaum daran
erinnern
, elf gewesen zu sein, doch ich fand, dass das reichte.
    “Ich bin zwölf”, sagte ich. “Darf ich hier ein bisschen neben dir angeln?”
    “Denke schon”, meinte sie kurz angebunden.
    “Was nimmst du als Köder?”, erkundigte sich Salena.
    “Tintenfisch.” Ich langte in meinen Eimer. Meine Hände zitterten, als ich ein Stück von dem Köder abschnitt und es am Haken befestigte. “Was nimmst du?”, wollte ich von Wanda wissen.
    “Mückenlarven.”
    “Die nehme ich auch manchmal.” Vorsichtig warf ich die Angel aus, denn ich wollte nicht, dass sich der Haken bei einem von ihnen in den Haaren verfing und sie noch fuchsiger wurden, als sie es schon zu sein schienen. Ihr Haar war völlig anders als meines. Das von Salena und Wanda war borstig und sogar noch schwärzer als Isabels Haar. Kleine Schwänzchen ragten aus Wandas Haarspangen und standen ihr vom Kopf ab. Die Männer konnte ich nicht so gut sehen, weil sie weiter weg standen, doch Georges kurze Haare waren extrem drahtig. Er trug ein weißes T-Shirt zu einer weiten braunen Hose und sah aus, als ob er viel Sport treiben würde, denn er glänzte vor Schweiß.
    “Kannst du lesen?”,

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