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Der Tod meiner Schwester

Der Tod meiner Schwester

Titel: Der Tod meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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Jenkinson’s. Wir standen an der Limonaden-Bar an, und die Jungs rissen Witze, über die die Mädchen kicherten. Der Limonadenverkäufer war ein Italiener, dessen Akzent stärker war als der meiner Mutter, aber ähnlich. Einer der Jungs aus der Gang, James, gab ihm einen Dollarschein, um eine Limonade für zehn Cent zu bezahlen. Ich weiß nicht genau, wie er es machte, doch er trickste den Verkäufer aus, sodass der ihm zwei Dollar Wechselgeld zurückgab. Ich bemerkte, wie die meisten Jungs und Mädchen der Clique kicherten, als wir uns entfernten. Kaum waren wir außer Hörweite des Verkäufers, krümmte James sich fast vor Lachen.
    “Könnt ihr euch so einen Schwachkopf vorstellen?”, prustete er. “Dämlicher Itaker!”
    Ich sah rasch zu Ross hinüber. Er grinste. Seine nach oben gebogenen Lippen, die Zähne, die Lachfalten in seinen Augenwinkeln – diese Details würde ich den Rest des Abends nicht vergessen. Nichts anderes sah ich mehr, wenn ich ihn anschaute. Ich war Halbitalienerin. Meine Mutter war eine richtige “Itakerin”. Warum konnte ich ihm nicht sagen, wie sehr mich die Verspottung des Verkäufers verletzte? Falls er sich wunderte, warum meinem Liebesspiel in jener Nacht die übliche Intensität fehlte, sagte er jedoch nichts. Ich wartete darauf, dass er fragte, was los sei. Dann würde ich ihm sagen, dass ich mich verraten fühlte. Doch er fragte nicht, und ich versuchte meine Traurigkeit tief in mir zu verbergen, sodass sie nicht wieder hochkam.
    Wenige Tage später fand meine Mutter eine vergessene Tüte Pinienkerne in der Vorratskammer und buk eine doppelte Portion Pignoli. Sie schichtete ein gutes Dutzend auf einen Teller und bat mich, sie den Chapmans zu bringen.
    Ich durchquerte unseren Garten und klopfte an die Verandatür der Nachbarn. Ich wusste, dass Ross mit seinem Vater Golf spielen war, doch seine Mutter war daheim und öffnete mir die Tür.
    “Hallo, Maria”, begrüßte sie mich. “Wie geht es der Sommerkönigin heute?”
    “Gut, danke, Mrs. Chapman”, sagte ich, während ich auf die Veranda trat. Als Kind hatte ich viel Zeit im Haus der Chapmans verbracht, doch nun schienen Ross und ich uns nur bei uns zu Hause zu treffen. Ich nahm an, dass Ross meine Eltern warmherziger und gastfreundlicher fand als seine eigenen – was tatsächlich stimmte. “Mutter hat eine Extra-Portion Pignoli für Sie gemacht.” Ich hielt ihr den Teller mit den Keksen hin.
    “Wie nett von ihr!”, erwiderte sie. “Bring sie doch in die Küche.”
    Ich ging in ihre Küche und stellte den Teller auf einen Tisch in der Ecke. Als ich aufsah, war das Lächeln aus ihrem Gesicht verschwunden.
    “Wessen Ring trägst du da?”, fragte sie mich.
    Meine Finger umklammerten den Ring, den ich an der Kette um den Hals trug. Hatte Ross ihr nichts gesagt?
    “Den von Ross”, antwortete ich.
    Ich konnte an ihrer Miene ablesen, dass Ross ihr tatsächlich nichts gesagt hatte. Sie blickte mich verwirrt an. “Warum um alles in der Welt sollte er dir seinen Ring geben?”
    Was sollte ich sagen außer der Wahrheit? “Wir gehen miteinander.” Plötzlich unsicher geworden, ließ ich den Ring los.
    “Aber … er hat eine Freundin in Princeton”, stammelte sie.
    Ich wusste von Veronica und dass seine Eltern ihn dazu drängten, mit ihr auszugehen.
    “Veronica ist nicht seine Freundin”, klärte ich sie auf und bemühte mich, nicht zu abwehrend zu klingen. Als Beweis hielt ich ihr den Ring hin.
    Sie wandte sich ab, vorgeblich, um eine Tasse wegzustellen, die auf dem Tresen stand. “Das wusste ich nicht”, sagte sie verkrampft. “Ich dachte, er hätte noch Interesse an ihr.”
    Wieder stieg in mir das Gefühl hoch, verraten worden zu sein. “Vielleicht sollten Sie darüber besser mit Ross sprechen”, schlug ich vor.
    Voller Zorn, dass Ross es nicht seinen Eltern oder zumindest mir nicht gesagt hatte, dass seine Eltern keine Ahnung hatten, ging ich nach Hause. Ich half Mutter gerade beim Staubwischen, als ich den Wagen der Chapmans an unserem Haus vorbeituckern hörte. Ich ging hinaus zur Verandatür, in der Hoffnung, etwas von dem Gespräch zu hören, falls es laut genug war.
    Das Geschrei ging kurz nach Ross’ Ankunft los, doch ich konnte keine einzelnen Sätze ausmachen. Ich fühlte mit Ross und wünschte, ich hätte seiner Mutter etwas sagen können, das die Heftigkeit ihrer Wut gelindert hätte. Wenn ich geahnt hätte, dass sie nichts von uns beiden wusste, hätte ich den Ring in die Tasche stecken können.

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