Der Tod soll auf euch kommen
Es war Gormán. Er hielt eine Weile die Hand der Frau, die neben ihm auf der Türschwelle stand.
»Paß auf dich auf, Gormán«, sagte die Frau. »Tu nichts Voreiliges.«
Der Krieger erwiderte etwas, doch Fidelma konnte es nicht hören. Dann beugte er sich vor und umarmte die Frau vertraut, ehe er auf sein Pferd stieg und in der Nacht verschwand. Glücklicherweise ritt er nicht auf dem Weg zurück in die Stadt, auf dem sich Fidelma befand. Sie wartete eine Weile und trieb dann ihr Pferd weiter zum Haus voran. Dort ließ sie sich von dessen Rücken gleiten und band die Zügel um den Pfosten bei der Tür.
Die Holzbalken des Vorbaus knackten laut, als sie sie betrat. Die Tür flog auf.
»Gormán, hast du …«
Die Frau verstummte erschrocken, als sie Fidelma erblickte.
»Guten Abend, Della.«
Der Schreck wich vom Gesicht der Frau, nun lächelte sie.Sie war in den Vierzigern, doch ihr Äußeres wirkte noch jung, ihr volles Haar schimmerte immer noch golden. Sie trug ein enganliegendes Kleid, das ihre hübsche Figur betonte. Ihre Hüften waren schmal geblieben, ihre Arme wohlgeformt.
Fidelma nahm die Hände der Frau, die diese ihr zur Begrüßung reichte.
»Fidelma! Wie schön, dich zu sehen.«
»Es ist schon lange her, Della«, erwiderte Fidelma.
Della blickte ihr tief in die Augen. Darin stand Mitgefühl.
»Ich habe von deinem Kummer gehört. Gibt es irgendwelche Neuigkeiten von Alchú?«
Fidelma schüttelte den Kopf. Della trat zur Seite und ließ sie eintreten.
»Nimm Platz. Dort, dicht neben dem Feuer, denn es ist sehr kühl. Etwas zu trinken? Ich habe
corma
und Holundersekt.«
Fidelma nahm Platz und sagte, daß sie den Holundersekt, ein süßes Getränk aus den Blüten des
trom,
des Holunderbusches, probieren wollte. Della brachte ihr einen Becher voll und ließ sich ebenfalls nieder.
»Dein Unglück betrübt mich sehr, ebenso wie der Verlust meiner Freundin.«
Fidelma verbarg nicht, wie sehr sie diese Äußerung überraschte. »Deiner Freundin?«
»Sárait.«
»Ich wußte nicht, daß du Sárait gekannt hast.«
Della runzelte kurz die Stirn. »Ich dachte, daß du mich deshalb aufsuchst.«
Fidelma schüttelte den Kopf. »Der Grund meines Besuchs kann warten. Erzähl mir mehr von dir und Sárait. Wann seid ihr Freundinnen geworden?«
»Oh, nachdem ihr Mann in der Schlacht umgekommen war … oder vielmehr umgebracht worden war.«
»So, zu dir sind also auch die Gerüchte über seinen Tod in Cnoc Áine gedrungen. Von wem hast du davon gehört?«
»Von Sárait persönlich.«
»Sie wußte, daß er ermordet wurde?«
»Das hat sie so genau nie formulieren wollen … Ich werde dir sagen, was ich weiß. Sárait war immer freundlich zu mir, auch als ich eine
bé-táide
war, eine Prostituierte. Ihre Schwester Gobnat war viel zu hochnäsig und korrekt dazu. Sie hat mich immer übergangen. Das macht sie auch heute noch. Aber Sárait war eine nette und freundliche Seele. Einige Monate, nachdem ihr Mann ermordet worden war, kam sie zu mir. Ihr ging es ganz elend. Sie sah aus, als sei sie geschlagen worden.«
Fidelma lehnte sich erstaunt vor.
»Du meinst, daß man sie körperlich mißhandelt hatte?«
»Ihr Körper trug viele blaue Flecken. Sie kam zu mir, weil sie Rat von jemandem wollte, der schon das Schlimmste und das Schönste erlebt hatte, was ein Mann bieten kann.«
»Hat sie dir gesagt, wer sie so zugerichtet hatte?«
»Leider nicht. Es war jemand, der in sie verliebt war, doch sie fühlte sich von ihm abgestoßen und glaubte, derjenige hätte ihren Mann Callada auf dem Gewissen. Er versuchte, sie mit allen Mitteln zu gewinnen. Eines Tages hat er sie vergewaltigt. Sie hat sich gewehrt, aber er war zu stark.«
Verwundert lehnte sich Fidelma wieder zurück.
»Wenn der Mann ihren Gatten bei Cnoc Áine ermordet hat, dann muß man ihn hier in Cashel kennen.«
»Sie verriet nicht, wer es war«, wiederholte Della. »Aber die Vergewaltigung hat sie sehr mitgenommen.«
» Forcor
ist ein scheußliches Verbrechen.«
Vor dem Gesetz gab es zwei Arten von Vergewaltigung.
Forcor
war die Vergewaltigung unter Zwang und mit köperlicher Gewalt, während
sleth
alle anderen Situationen einschloß. Zu
sleth
kam es vor allem bei Trunkenheit. Geschlechtsverkehr mit einer betrunkenen Frau, die sich nicht wehren konnte, wurde genauso streng geahndet wie eine gewaltsame Vergewaltigung.
»Sie wollte mir den Namen des Mannes nicht verraten, aber sie wollte sich jemandem anvertrauen, ohne Vorwürfe und
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