Der Tod soll auf euch kommen
Schuldzuweisungen hören zu müssen. So wurden wir Freundinnen, und von da ist sie häufig zu einem Becher Met und einem Schwatz vorbeigekommen. Doch was kann ich für dich tun, Lady Fidelma? Du besuchst mich nicht gerade oft. Geht es um dein Kind?«
Fidelma wurde ein wenig verlegen. Zwischen ihr und Della bestand eine merkwürdige Beziehung. Es stimmte, Fidelma besuchte Della nicht häufig, auch wenn sie nur zehn Minuten von der Burg entfernt wohnte. Fidelma hatte Della etwa vor drei Jahren vor Gericht vertreten, als sie vergewaltigt worden war, deshalb war sie nicht verwundert darüber, daß Sárait sich an Della gewandt hatte, als sie sich in einer ähnlichen Lage befand. Unvermittelt hatte Fidelma wieder Eadulfs Reaktion vor Augen, als sie ihm die Geschichte von Dellas Vergewaltigung erzählt hatte. Natürlich hatte er sich von den allgemeinen Vorurteilen gegenüber Prostituierten leiten lassen und sehr sarkastisch darauf reagiert, daß eine Hure vergewaltigt worden war. Das hatte Fidelma sehr verärgert, und sie hatte ihm barsch entgegnet: »Kann denn eine Frau, nur weil sie Prostiuierte ist, nicht auch vergewaltigt werden?« Im Gesetz der fünf Königreiche stand geschrieben,daß eine Frau, selbst wenn sie eine
bé-táide
war, als Entschädigung für eine Vergewaltigung vom Täter die Hälfte ihres Sühnepreises erhielt. Nachdem Fidelma den Fall gewonnen hatte, hatte Della ihren bisherigen Broterwerb aufgegeben. Das kleine Haus in Cashel hatte sie von ihrem Vater geerbt. Fidelma wußte aber, daß viele Leute in der Stadt sie immer noch geringschätzig behandelten, und so führte Della ein sehr zurückgezogenes Leben. Fidelma schloß kurz die Augen. Sie fühlte sich ein wenig schuldig, weil sie sie nicht häufiger besuchte. Und tat sie es doch, kam sie heimlich in der Dunkelheit.
»Kannst du dich an unsere letzte Begegnung erinnern?« fragte Della auf einmal.
»Ja«, antwortete Fidelma.
Della seufzte. »Du hast freundlicherweise dafür gesorgt, daß ich entschädigt wurde, als die Krieger von Donennach mein Haus zerstört hatten, während ich Bruder Mochta und die Reliquien des heiligen Ailbe versteckt hielt.«
»Aber erinnerst du dich auch daran, was du bei unserem Abschied gesagt hast?«
»Ich sagte, am besten kommt man doch mit sich allein zurecht. Wird die Einsamkeit kurz unterbrochen, sehnt man sich bald nach ihr zurück.«
Fidelma nickte, die Worte waren ihr noch gut im Gedächtnis. »Und ich erwiderte darauf, wir alle sind zur Einsamkeit verurteilt, manchmal schützt uns nur unsere eigene Haut, deshalb gibt es keinen Weg aus der Einsamkeit hinaus ins Leben.«
Della sah sie voller Anteilnahme an.
»Hast du dich seit der Entführung deines Kindes einsam gefühlt?«
Schmerz überkam Fidelma wie ein Stechen in der Magengegend. Sie versuchte ihn zu verbergen, zu vergessen.
»Darf ich dich etwas fragen, Della?«
»Dazu bedarf es keiner Erlaubnis.«
»Dabei muß ich dich leider an eine unerfreuliche Zeit erinnern. Weißt du noch, wie ich dich damals vor Gericht vertrat und du als Entschädigung …«
»Ich entsinne mich genau, wie du mich verteidigst hast, ja«, antwortete Della nur.
»Du erschienst in einem grünen Seidenumhang mit Kapuze vor Gericht. Er war mit einer roten Stickerei verziert und wurde von einer silbernen edelsteinbesetzten Schnalle zusammengehalten. Er war sehr schön.«
Della sah sie nachdenklich an und nickte.
»Besitzt du ihn noch?«
Della zögerte einen Augenblick, dann senkte sie den Kopf. »Ich habe ihn nicht mehr getragen, seit ich mein Leben als
bétáide
aufgegeben habe.«
»Aber du hast ihn noch, oder?«
»Ja.«
»Zeigst du ihn mir bitte?«
Wieder zögerte Della, dann zuckte sie mit den Achseln. Sie stand auf, ging zu einer Holztruhe in der Ecke des Raumes und öffnete sie. Die Truhe war voller Kleider, und sie zog eines nach dem anderen heraus und legte es auf den Boden – durchweg kostbare Stücke. Fidelma brauchte nicht zu fragen, wie Della in ihren Besitz gekommen war. Es waren Erinnerungsstücke an ihr vergangenes Leben.
Plötzlich hörte sie, wie Della tief Luft holte.
»Was ist denn?« wollte sie wissen.
»Ich weiß nicht. Ich glaube, jemand hat in meiner Truhegewühlt. Eins meiner Kleider ist zerrissen, es ist an der Naht ganz kaputt. So habe ich es damals nicht in die Truhe gelegt, als ich die Sachen weggeräumt habe.«
»Und wann war das?«
»Kurz nach der Gerichtsverhandlung. Ich wollte diese Kleider aus meinem alten Leben nicht mehr
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