Der Tod soll auf euch kommen
Entführer ein Zeichen von Alchú geben?«
»Ich muß einige Nachforschungen anstellen über einen gewissen grünen Seidenumhang, erinnerst du dich?« fragte Fidelma. »Und das werde ich jetzt tun.« Eadulf wollte sie begleiten, doch sie schüttelte rasch den Kopf. »Diesmal werde ich allein gehen. Es handelt sich um etwas rein Persönliches.«
Eadulf war besorgt. »Wo willst du hin? Ich sollte es wissen, falls dir außerhalb dieser Mauern Gefahr droht.«
»Ich glaube nicht, daß es für mich gefährlich wird, Eadulf. Sonst würde ich es dir sagen. In diese Sache kann ich niemanden einweihen, falls ich einen Fehler machen sollte. Aber ich kann dir versichern: ich werde mich nicht außerhalb der Stadtmauern aufhalten und ich werde bald zurück sein.«
Eadulf wollte sich nicht damit zufriedengeben.
»Ich schwöre dir, Eadulf«, fuhr sie fort, sobald ich zurück bin, werden wir etwas essen, und ich werde dir berichten, wo mich mein Verdacht hingeführt hat.«
Eadulf wußte, daß er das so akzeptieren mußte.
KAPITEL 9
Fidelma verließ allein die Burg, obwohl die Wachposten am Tor sie davon abhalten wollten und darauf bestanden, ihr angesichts der Bedrohung durch die Uí Fidgente einen Krieger mitzugeben. Sie ritt den Hügel hinab in die Stadt. Die Dämmerung war angebrochen, ein dünner Nebelschleier erhob sich. Alles wirkte düster und kalt. Sie ritt über den beinahe menschenleeren Marktplatz. Am anderen Ende befand sich das Gasthaus, an dessen Tür die Bekanntmachung für die Entführer Alchús hing. Sie war am Türpfosten angemacht und wurde von einer Laterne beleuchtet. Ob auf dem Land oder in der Stadt, an jedem Gasthof brannte bei Einbruch der Nacht eine Laterne. Fidelma ging davon aus, daß Cerball seinen Auftrag ausgeführt hatte und Capa nun überall die Bekanntmachung anbrachte.
Musik und Gelächter drangen aus dem Gasthaus. Der Lärm kam ihr so unbeschwert und überschwenglich vor. Plötzlich dachte sie, daß sie Eadulf lieber in ihr Vorhaben einweihen sollte. Sie bemerkte zwei oder drei ältere Kinder, die sicher auf ihre Eltern warteten, die sich drinnen aufhielten. Sie schienen im Lichtschein der Laterne etwas zu spielen.
»Würde sich einer von euch gern einen
pingín
verdienen, indem er eine Nachricht zur Burg bringt?« fragte sie die Kinder.
Ein größerer Junge sah sie an.
»Nur einen
pingín
?« protestierte er. »Das letztemal war es einen
screpall
wert.«
Fidelma blickte ihn überrascht an und sagte: »Das letztemal?«
»Du hast mich schon einmal gebeten, eine Nachricht zur Burg zu bringen, da hast du mir einen
screpall
angeboten. Das war erst letzte Woche.«
»Bist du sicher, daß ich es war?« fragte Fidelma.
»Nun«, sagte der Junge zögernd und neigte den Kopf zur Seite, »es war eine Frau in einem feinen Umhang. Sie stand im Schatten an der Ecke des Gasthauses.«
»Aber du hast den Auftrag nicht angenommen?«
»Nein. Ich wollte es gerade tun, da trat mein Vater aus dem Gasthaus. Da ist er auch jetzt drin. Ich mußte ihn nach Hause bringen. Zu viel von dem
corma
.«
Seine Gefährten lachten, aber dem Jungen machte das nichts aus.
Fidelma stimmte diese Neuigkeit zufrieden, wenngleich sie sie auch aufwühlte. Nun war endlich die Frage beantwortet, die sie so lange bewegt hatte: Wieso hatte die fremde Frau ausgerechnet dem Zwerg die Nachricht anvertraut? Soeben war das Rätsel gelöst worden – es war einfach purer Zufall gewesen. Die geheimnisvolle Frau hatte auf irgend jemanden gewartet, der keine Fragen stellen würde. Sie hatte es mit dem Jungen versucht, da er aber verhindert war, hatte sie den Zwerg angesprochen.
»Und überhaupt«, sagte der Junge, »ich mache keine Botengänge für weniger, als du mir letzte Woche geben wolltest.«
Fidelma warf dem Jungen wortlos eine kleine bronzefarbeneMünze hin. Nachdenklich ließ sie ihr Pferd lostraben. Als sie sich dem Haus am Rand der Stadt näherte, grübelte sie immer noch. Das Haus stand ein wenig von den anderen entfernt, war mittelgroß und verfügte über ein kleines Nebengebäude und einen Stall. Inzwischen war es ganz dunkel, doch die Wärme, die sich in der Stadt gehalten hatte, hinderte den Nebel daran, weiter vorzudringen.
Fidelma fuhr aus ihren Gedanken auf und brachte ihr Pferd zum Stehen. Sie erkannte die dunklen Umrisse eines Pferdes, das am Haus angebunden war. Da ging die Tür auf. Über dem Vorbau hing eine Laterne, so konnte sie den großen Krieger mit den breiten Schultern und dem schwarzen Haar erkennen.
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