Der Tod soll auf euch kommen
sehen.«
»Such nach dem grünen Seidenumhang.«
Fidelmas Stimme klang auf einmal recht schroff. Della blickte sie fragend an, doch dann beugte sie sich wieder über die Truhe. Als sie alles durchstöbert hatte, ließ sie sich mit verwunderter Miene auf dem Fußboden nieder.
»Er ist nicht da.«
Fidelma seufzte. »Ich hatte schon vermutet, daß er nicht dabei sein würde.«
Della runzelte die Stirn und schaute sie an.
»Was willst du damit sagen? Ich glaube, du schuldest mir eine Erklärung.«
»Della, wo warst du an dem Abend, an dem Sárait umgebracht wurde?«
Dellas Lippen bebten ein wenig.
»Wird mir etwas vorgeworfen?«
»Bitte, Della.« Unter anderen Umständen hätte sie sie eiskalt verhört, doch sie kannte Della. »Ich werde es dir erklären, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest.«
»Soweit ich mich erinnere, war ich hier. Ich bin gewöhnlich immer hier.«
»Kannst du das beweisen?«
Della schüttelte den Kopf. »Ich war allein.«
Fidelma hatte das eigenartige Gefühl, ihre Freundin sagte nicht die Wahrheit. Sie beschloß aber, nicht weiter in sie zu dringen.
»Wann hast du den grünen Umhang zum letztenmal gesehen?«
»Wie ich schon sagte, ich habe ihn in die Truhe gelegt, als ich nicht mehr das Leben einer
bé-táide
führen wollte, das war vor drei Jahren. Seitdem habe ich nicht mehr hineingeschaut.«
»Warum hast du ihn überhaupt weggelegt? Du hättest ihn doch verkaufen können. Er war sehr kostbar.«
Della zuckte mit der Schulter. »Wir tun im Leben vieles, was nicht logisch ist. Du hast die Kleider gesehen, die ich aufbewahrt habe. Sie erinnern mich an vergangene Zeiten … An das, was ich gewesen bin.«
»Und es ist niemand in dein Haus eingebrochen? Vielleicht ist der Umhang gestohlen worden?«
Della schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Grund, hier einzubrechen. Ich halte die Tür nie verschlossen. Jeder kann kommen und gehen, wie er will.«
»Und du sperrst nie zu, auch wenn du fortgehst?«
»Nein, nie. Nur nachts, da schiebe ich den Riegel vor.«
»Also hätte jeder hereinkommen und deinen Umhang stehlen können?«
»Vermutlich. Doch nun mußt du mir sagen, was das Ganze soll.«
Fidelma preßte kurz die Lippen aufeinander.
»An dem Abend, als Sárait starb und mein Baby entführt wurde, hat man sie mit einer falschen Nachricht aus der Burg gelockt. Ein Zwerg richtete ihr aus, daß sie Gobnat dringend aufsuchen solle.«
»Gobnat? Die hat doch kaum Kontakt zu ihrer Schwester gehabt.«
»Kennst du sie so gut?«
»Jeder in der Stadt kennt sie. Gobnat gehört zu diesen rechtschaffenen Frauen, die immer noch so tun, als gäbe es mich nicht. Sie soll hohe moralische Maßstäbe haben und eine Säule des neuen Glaubens sein.«
Fidelma streckte sich vor dem Feuer aus.
»Das klingt ja, als könntest du sie nicht besonders leiden, oder?«
»Mich ärgert nur ihr Dünkel. Aber so benehmen sich ja viele Leute.«
Fidelma blickte Della neugierig an. »Was meinst du damit?«
»Ich meine ihr übersteigertes Selbstwertgefühl, sie tut, als sei sie viel besser als andere Frauen hier. Seit ihr Mann Capa die Leibgarde deines Bruders befehligt, trägt sie die Nase noch höher.«
»Mein Mentor Brehon Morann hat immer gesagt, daß der Stolz nur eine Maske ist, hinter der man die eigenen Fehler verbergen will.«
Della mußte lächeln. »Wenn jemand einen Grund hat, stolz zu sein, dann du, Fidelma. Du bist so klug und gebildet, und deine Taten sind in den fünf Königreichen von Éireann in aller Munde.«
Fidelma wies das von sich. »Als ich bei Brehon Morann Recht studierte, da habe ich mich als erstes von meiner Eitelkeit verabschieden müssen. Sich deutlich zu machen, daß man nichts wußte und nie mehr als einen Bruchteil von allem wissen würde, auch wenn man sein ganzes Leben der Kontemplation und dem Studium widmen würde, war aller Studien Anfang. Sonst wäre es mir nicht einmal möglich gewesen, das zu lernen, was ich schon längst zu wissen glaubte.«
Della versuchte, Fidelma wieder auf das eigentliche Thema ihres Gesprächs zurückzubringen.
»Du hast da eben einen Zwerg erwähnt, der zur Burg kam. Suchst du nach ihm?«
Fidelma lächelte ein wenig. »Ich habe ihn bereits gefunden. Was er mir erzählte, glaube ich ihm. Ich glaube es, weil sein armer Bruder sterben mußte.«
»Und was hat er erzählt?«
»Daß er an jenem Abend nach Cashel kam und von einer Frau – einer Frau, die einen grünen Seidenumhang mit roter Stickerei trug – gebeten wurde, Sárait eine
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