Der Tod soll auf euch kommen
eine Verhandlung«, wandte Bischof Ségdae höflich ein und blickte zur Decke, als würde er nachdenken, »wo der Richter eine Aussage mißverstanden und daraufhin ein falsches Urteil verkündet hatte. Gegen dasUrteil wurde Berufung eingelegt, und der Richter mußte eine Entschädigung zahlen …«
Brehon Dathal war inzwischen ganz rot vor Empörung. Er schnaubte vor Wut, fand aber nicht die richtigen Worte für eine Entgegnung.
»Wir müssen die Aussagen ohnehin zu Protokoll nehmen«, sagte Colgú und versuchte so, den gekränkten Brehon zu beruhigen. »Vielleicht ist es das beste, wenn wir nun alle die Zeugen anhören. Cerball wird ihre Aussagen festhalten.«
»Ich habe alles dazu bei mir, mein König«, versicherte ihm der Barde und holte aus seinem Lederbeutel Schreibtafeln – das waren hölzerne Rahmen, in denen sich weicher Ton befand – und einen Griffel heraus.
Brehon Dathal blickte Bischof Ségdae haßerfüllt an. Dann sagte er: »Wir sollten die Zeugen unbedingt nacheinander verhören. Beginnen wir mit dem Wächter.«
Capa sah zu Colgú hinüber, der dieses Vorgehen bestätigen sollte. Colgú nickte leicht. Es gab keinen Grund, den alten Richter noch weiter aufzubringen.
Einen Augenblick später hatte Capa einen mittelgroßen blonden Krieger hereingerufen. Mit unbeweglicher Miene blieb der vor ihnen am Tisch stehen.
»Dein Name, Krieger?« fragte Brehon Dathal.
»Caol, mein König. Fünfzehn Jahre im Dienst des Königs von Muman.«
»Wie ich sehe, Caol, trägst du den goldenen Halsring der Leibgarde von Cashel«, sagte Colgú.
Der Krieger war sich nicht sicher, ob es sich dabei um eine Frage oder die Feststellung einer Tatsache handelte, war doch das Symbol an seinem Hals deutlich zu sehen.
»So ist es, mein König«, erwiderte er.
»Wir haben erfahren, daß du an dem Tag Wache hattest, als Sárait umgebracht wurde«, sprach Colgú weiter.
»Ich stand als Wachposten am Haupttor der Burg, mein König.«
»Dann erzähle uns mit deinen eigenen Worten, was geschah.«
»Es war kurz nach Einbruch der Dunkelheit, am späten Nachmittag, als ein Kind zum Tor kam. Ich konnte es nicht genau sehen, da es dunkel war. Und auch der Schein der Fackeln am Tor half nicht, denn die Gestalt war unter dem Umhang völlig verborgen. Doch ich glaube nicht, daß ich ihn zuvor schon einmal gesehen habe.«
Eadulf runzelte die Stirn. »Du sagst ›ihn‹. Bist du sicher, daß es sich um einen Jungen handelte? In diesem Fall hast du wohl genug erkennen können, um auszuschließen, daß es ein Mädchen war, oder?«
Der Krieger blickte ihn an und zögerte, ehe er ihm antwortete.
»Sprich laut und deutlich!« fuhr ihn Brehon Dathal an.
»Das Kind war von oben bis unten in einen Umhang gehüllt, auf dem Kopf trug es eine Kapuze. Dennoch neige ich dazu, daß es ein Junge war.«
»Aber warum? Und warum sagst du auch, daß du das Kind nie zuvor gesehen hast, wenn du es nicht erkennen konntest?« fragte Brehon Dathal scharf.
»Meine Antwort bezieht sich auf beide Fragen. Das Kind wirkte trotz seines Umhangs eher stämmig, und es hatte einen eigenartig wankenden Gang. Ich glaube, daß ein Mädchen nicht so stämmig sein kann, und Gestalt und Gang wären mir bekannt vorgekommen, wenn ich das Kind schoneinmal in der Stadt oder in der Burg gesehen hätte. Deshalb nahm ich an, daß es von außerhalb sein mußte.«
Brehon Dathal rümpfte gereizt die Nase.
»Es obliegt dir nur, die Tatsachen wiederzugeben«, warf er dem Krieger vor. »Alles andere ist reine Spekulation.«
»Trotzdem«, wandte nun Bischof Ségdae mit einem Lächeln ein, »war seine Schlußfolgerung logisch.«
»Capa hast du berichtet, daß das Kind stumm war«, fuhr Brehon Dathal mit leicht zynischem Unterton fort. »Wie kommst du darauf? Wieder durch Spekulationen?«
»Das ist ganz einfach, weiser Brehon. Das Kind hat nicht geredet, sondern mir ein Stück Birkenrinde gereicht, auf dem stand: ›Man schickt mich zu Sárait.‹ Durch Gesten und abgehackte Laute gab es mir eindeutig zu verstehen, daß es nicht sprechen konnte. Ich erklärte ihm den Weg zu ihrer Kammer.«
»Und das Stück Birkenrinde hast du nicht aufbewahrt?« fragte Eadulf.
Der Krieger schüttelte den Kopf. »Dafür gab es keinen Grund.«
»Um was für eine Art Schrift hat es sich gehandelt?«
Der Krieger schien verwirrt.
»War es die alte Form, die ihr Ogham nennt, oder war die Nachricht in der neuen Schrift aufgezeichnet?« erläuterte Eadulf.
»Ogham kann ich nicht entziffern«,
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