Der Tod trägt dein Gesicht
hat seine Arbeit ja noch gar nicht aufgenommen. Erzähl uns doch einfach, was ihr bisher herausgefunden habt”, hakte ihr Bruder Brian nach, während er sich eine Portion Roastbeef auf den Teller hievte.
“Du hast sie doch gehört. Stretch darf nicht darüber reden, also lass sie in Ruhe”, ermahnte ihn Will.
Das älteste und ernsthafteste der fünf Collins-Kinder, der sechsunddreißigjährige Will, war schon immer der Anführer gewesen. Als Lieutenant befehligte er die Detectives im Fünften Bezirk, damit hatte er den höchsten Dienstrang aller Geschwister. Er hatte sogar einen höheren als sein Vater und Joe, die als Detectives in Pension gegangen waren. Und wann immer sich die Gelegenheit bot, spielte Will seine Autorität gegenüber seinen Geschwistern aus.
Allerdings nahmen sie ihn nicht besonders ernst – zumindest nicht seine Brüder.
“Ach, komm schon. Was ist denn schon dabei?”, fragte Brian. “Wir sind hier doch unter uns. Es ist ja nun wirklich nicht so, dass nach dem Essen jemand aus der Tür rennt und mit der Presse spricht.”
Will gestikulierte mit seiner Gabel in Brians Richtung. “Genau das ist es. Das ist genau die Einstellung, warum du noch nicht befördert worden bist.”
Die jüngsten Brüder, die einunddreißigjährigen Zwillinge Ian und Aiden, stießen einander mit den Ellbogen an und kicherten. Obwohl Ian seines überschäumenden Temperaments wegen immer noch Uniform tragen musste und Aiden nur einen Grad über ihm war, ließen sich die beiden nicht im Geringsten von ihrem ältesten Bruder einschüchtern.
“Yes Sir! Lieutenant, Sir! Was immer Sie sagen, Sir!”, neckten sie ihn. “Ihr Wunsch ist uns Befehl, Sir!”
Kopfschüttelnd wandte sich Will wieder dem Essen auf seinem Teller zu. “Ihr Clowns”, murmelte er, aber er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, während er sich über den Kartoffelbrei hermachte.
“Barbaren sind das, alle, wie sie da sitzen, und das ist die Wahrheit, bei Gott”, erklärte Granda Seamus und starrte die beiden ungehörigen Enkel an. Dann lächelte er verschmitzt und fügte hinzu: “Und ist das nicht prima?”
Die drei jüngsten Collins-Brüder lachten darüber und prosteten dem alten Mann zu, bis ihr Vater sie zur Ordnung rief.
“Okay, das reicht jetzt. Und du, hör auf, sie auch noch anzustacheln”, sagte er zu seinem Vater. Der wiederum gab sich Mühe, seinen Sohn zu ignorieren. “Euer Großvater sät schon genug Zwietracht, ohne dass ihr ihn dazu ermuntert.”
Casey sah auf ihren Teller, um ihr Grinsen zu verbergen. Es stimmte, ihr Großvater Seamus war ein kleiner Teufel.
Es war schwer zu glauben, dass der kleine zierliche Mann der Patriarch der großen Familie Collins war. Casey wusste, dass ihr Großvater in seiner Jugend genauso groß und muskulös gewesen sein musste wie die anderen Männer des Clans. Aber mit seinen neunzig Jahren war er nicht mehr der Alte.
Doch obwohl er mittlerweile schmächtig wirkte, war sein silbergraues, ehemals leuchtend rotes Haar noch voll, er war geistig auf der Höhe, und seine blauen Augen strahlten wie je zuvor. Und wenn er das Gefühl hatte, das jemand vergessen könnte, wie fit er noch war, flirtete er mit den Damen und unterhielt die anderen mit seinem charmanten Witz.
Doch leider und zu Caseys großem Unbehagen geriet Seamus Collins nur allzu oft mit seinen Freunden in Streit, wenn er mit ihnen Karten spielte. Sie spielten im Muldoon’s, dem Irish Pub, in dem auch Caseys Kollegen ein- und ausgingen. Es lag um die Ecke vom Revier. Und so wurde Casey gelegentlich die Aufgabe zuteil, Zwistigkeiten zu schlichten.
“Und dein Bruder hat recht”, fuhr ihr Vater fort. “Uns geht der Fall eurer Schwester nichts an. Und nun esst weiter!”
Danach wurde es ruhiger, auch wenn weiter über die Morde gesprochen wurde. Aber jetzt ging es nur um Informationen, die schon jeder hatte, und um die Spekulationen über die Person, die den Mord verübt haben könnte, und wie man sie erwischen könnte.
Caseys Eltern, Granda Seamus und die Schwiegereltern sowie Dennis und Mary Kate hatten schon in den Nachrichten Berichte über den Fall gesehen, und die Pressekonferenz war bereits in den Sechs-Uhr-Nachrichten gesendet worden. Casey hoffte, um die Wiederholung um zehn Uhr herumzukommen. Aber das sah ihrer Familie nicht ähnlich.
Wie erwartet, war ihr Mordfall das erste Thema in den Lokalnachrichten. Auf dem Bildschirm war eine junge Reporterin zu sehen, die auf einem Waldweg nahe dem Tatort stand und
Weitere Kostenlose Bücher