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Der Tod trägt dein Gesicht

Der Tod trägt dein Gesicht

Titel: Der Tod trägt dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ginna Gray
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irisches Temperament unter Kontrolle. Deswegen war er mit zweiunddreißig schon Lieutenant. Und aus demselben Grund war es unwahrscheinlich, dass er weiterbefördert werden würde.
    Manchmal regte Wills Art, sich immer und unter allen Umständen an die Regeln zu halten, Casey auf.
    Auf der anderen Seite waren sie einander auch ähnlich. Sie waren beide eher ernster Natur, fleißig und diszipliniert, und sie lebten für ihren Job. Und beide besaßen – auch wenn ihr Bruder das abstreiten würde – den sechsten Sinn.
    Einige nannten das Intuition. Es lief darauf hinaus, dass Will und Casey Dinge wahrnahmen, die anderen Menschen nicht auffielen.
    Wenn sie dabei war, einen Fall zu untersuchen, hatte Casey häufig ein bestimmtes Gefühl eine Person oder einen Sachverhalt betreffend. Manchmal fühlte es sich an, als würde etwas in ihrem Magen rumoren oder ihre Haut würde am ganzen Körper prickeln. Manchmal hatte sie das Gefühl, ihre Nervenenden vibrierten, manchmal schien es, als würden unsichtbare Fühler etwas aufnehmen. Diese Feinfühligkeit war das beste Werkzeug, das Casey als Polizistin haben konnte. In ihrer Karriere hatte sie schon oft auf ihre Vorahnungen vertraut.
    Auf der anderen Seite wollte Will es nicht wahrhaben, dass so etwas wie Vorahnungen existierten, schon gar nicht bei ihm. Als Kinder hatten er und Casey diese Schwingungen schon oftmals erlebt.
    Als Erwachsener wollte Will nichts mehr mit dieser besonderen Fähigkeit, die ihm in die Wiege gelegt worden war, zu tun haben. Er ging zur Polizei und schwor sich, allein die guten und soliden rationalen Vorgehensweisen eines Polizisten zu befolgen. William Harrison Collins hielt nichts von Hokuspokus.
    Seine Starrköpfigkeit, seine Instinkte nicht zu benutzen, brachte Casey häufig auf die Palme, aber in diesem Fall wusste sie, dass Will recht hatte.
    “Hast du gehört, was ich gerade gesagt habe, Stretch?”, horchte ihr Bruder nach, weil sie am Ende der Leitung so still gewesen war.
    “Ich habe gehört, was du gesagt hast.”
    “Also, lässt du Lieutenant Bradshaw die Sache regeln?”
    “Ja”, gab sie zwischen zusammengebissenen Zähnen zu.
    “Schwörst du es?”
    Die Pressekonferenz war inzwischen vorbei, und Casey schaltete den Fernseher aus. Sie ging mit dem Hörer am Ohr mehrmals durch den Raum. Sie war aufgebracht. Nichts in der Welt hätte sie mehr gefreut, als Sheriff Crawford geradeheraus zu sagen, was sie von ihm hielt. Aber rational betrachtet, wusste sie, dass sie damit wahrscheinlich längerfristig ihrer Karriere schaden würde.
    “Stretch?”, hakte Will nach.
    “Ja, schon gut. Ich verspreche es dir.”
    Aber wie gern hätte sie diesen aufgeblasenen Dickschädel in aller Öffentlichkeit in seine Schranken verwiesen.
    Am nächsten Morgen verzichtete Casey aufs Joggen, zum ersten Mal seit Jahren. Eine unruhige Nacht hatte das ihre dazu beigetragen, dass sie sich immer noch über den Sheriff aufregte. Als sie durch die Eingangstür der Wache stürmte, sahen sie die Beamten, die sie sonst mit einem fröhlichen “Guten Morgen!”, begrüßten, besorgt an oder waren klug genug, plötzlich etwas sehr Wichtiges zu tun zu haben.
    Diese Feinfühligkeit besaßen die Journalisten, die schon auf sie warteten, jedoch nicht.
    Casey war erst halb durch die Eingangshalle gekommen, als jemand rief: “Da ist sie!”
    Die Hölle war los. Die Reporter umringten sie wie ein Schwarm Bienen. Casey sah sich plötzlich inmitten von Kameraleuten und Journalisten, die ihr Mikrofone ins Gesicht hielten.
    “Detective! Detective! Was halten Sie von den Behauptungen des Sheriffs?”
    “Stimmt es, dass ein Arzt hier aus dem Ort verdächtig wird, der Jäger zu sein?”
    “Haben wir einen Jack the Ripper hier in Mears?”
    “Entschuldigung. Lassen Sie mich durch, bitte”, brachte Casey zwischen zusammengepressten Lippen hervor und versuchte, sich einen Weg durch die Menge zu bahnen.
    “Detective O’Toole, in der gestrigen Pressekonferenz sagte Sheriff Crawford, dass Sie und Ihr Einsatzkommando nicht weiter als letzte Woche gekommen seien, den Jäger zu fassen. Er legte nahe, Sie sollten zurücktreten. Ihr Kommentar?”
    “Sheriff Crawford darf eine eigene Meinung haben.”
    “Aber stimmt es, was er sagt? Sie müssen zugeben, es ist eine Woche her, seitdem sie mit dem Fall betraut sind, und es gibt noch keine Festnahme.”
    Casey drehte sich mit zusammengekniffenen Augen zu der aufdringlichen Journalistin um. “Wenn Sie mir Ihr Mikrofon noch länger

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