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Der Tod traegt Turnschuhe

Der Tod traegt Turnschuhe

Titel: Der Tod traegt Turnschuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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und ein Stück davon festhielt.
    Instinktiv holte ich sofort das Bild meines Amuletts vor mein inneres Auge, was mir dank stundenlanger Übung auch gleich gelang. Dann konzentrierte ich mich auf das Zeitgewebe drum herum.
    Das »Jetzt« war als schimmernde Linie sichtbar, die sich bis in die Ewigkeit erstreckte. Auf dieser Linie bewegte sich meine Seele und sendete Gedanken aus. Sie zog mich mit in die Zukunft - einen Augenblick bevor diese zur Gegenwart wurde. Hinter mir sah ich meine Vergangenheit, die untrennbar mit der von Barnabas, Nakita und sogar den silbern leuchtenden Gedanken von Ace verstrickt war. Doch es waren nicht nur meine eigenen Gedanken, die mein Amulett an die Gegenwart banden, wie es normal gewesen wäre. Da waren noch die eines anderen.
    Ron, dachte ich in einem Anflug von Panik. Mit einer imaginären Hand wischte ich über die Zeitfäden, um die Verbindung seines Amuletts - und nur die seines Amuletts - zu mir zu kappen.
    Ich öffnete die Augen … Das Ganze hatte nicht länger gedauert, als eine Seifenblase zum Zerplatzen braucht. »Barnabas?«, wisperte ich, als ich merkte, dass sein Arm noch immer um meine Mitte geschlungen war. Ich befreite mich aus seinem unbeweglichen Griff. Panik sickerte in mein Bewusstsein und ließ mich erstarren. Ron hatte die Zeit angehalten. Heiliger Bimbam! Mit klopfendem Herzen drehte ich mich in der absoluten Stille der angehaltenen Zeit um. Dort, mitten auf der Straße, stand Ron.
    Ron war kein besonders imposanter Mann, nur etwa so groß wie ich. Das war nicht verwunderlich, denn schließlich war er ja auch schon vor ein paar Tausend Jahren geboren worden. Aber ich hatte das Gefühl, als käme er mit seiner geringen Größe nicht klar. Er hatte einen dunklen Teint und seine grauen Ringellöckchen waren einmal schwarz gewesen. Seine Augenfarbe wechselte seiner Laune entsprechend und ich fragte mich, ob das bei mir jetzt wohl auch so war. Er trug dasselbe helle, irgendwie griechisch anmutende Gewand, in dem ich ihn vor wenigen Augenblicken in meinem Kopf gesehen hatte. Er stand etwa fünf Meter von mir entfernt und sein regelrecht schockierter Gesichtsausdruck verschaffte mir eine ziemliche Genugtuung - wenigstens für den Moment. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mich so leicht aus seiner Macht befreien konnte.
    »Hör auf damit«, schimpfte ich und griff nach meinem Amulett. Es war ziemlich unwahrscheinlich, dass er versuchen würde, es mir wegzunehmen, schließlich konnte er nichts damit anfangen. Trotzdem kostete es mich erhebliche Überwindung, den warmen Stein wieder loszulassen.
    Ron spähte an mir vorbei die lange Straße hinunter.
    »Gratuliere«, sagte er, »erstens dazu, dass du dein Amulett aus meinem Griff befreit hast, und zweitens dazu, dass du gelernt hast, darüber zu kommunizieren. Das hat dir ganz sicher nicht Barnabas beigebracht. Der hat ungefähr die Vorstellungskraft eines Regenwurms. Waren es die Seraphim? Ach, und könntest du das nächste Mal vielleicht deine innere Stimme benutzen? Ich kann's nicht leiden, so angebrüllt zu werden.«
    Seine Worte trieften vor Sarkasmus und meine Hand schoss warnend in die Höhe, als er einen Schritt nach vorn machte. Er blieb stehen, eine Hand in die Hüfte gestemmt, und sah mich amüsiert an, als wäre ich ein kläffender Terrier hinter einem Zaun. »Was machst du eigentlich hier draußen? Müsstest du nicht in der Schule sein?«
    »Das braucht dich nicht zu kümmern«, erwiderte ich und trat einen Schritt zurück, bis ich neben Barnabas und Nakita stand. »Lass sie frei.«
    Er lächelte. Ich dachte an die Zeit, in der ich ihm dieses Lächeln noch abgekauft hatte. »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben, Madison. Ich tu dir nicht weh.
    Die Seraphim würden mich umbringen. Du bist doch jetzt ihre neue große Hoffnung.« Er schüttelte den Kopf und gab sich kaum Mühe, sein Lachen zu unterdrücken. »Ich habe keine Angst, dass du mir wehtust.« Das wäre ja auch längst nicht das Schlimmste, was du mit mir anstellen könntest, stimmt's?, dachte ich und wünschte, ich hätte Barnabas und Nakita an meiner Seite. Verdammt, es war wirklich ziemlich bizarr, wie sie da so still und reglos hinter mir standen. Einer plötzlichen Eingebung folgend, suchte ich am unteren Rand meines Bewusstseins nach Nakitas düsterem Violett und Barnabas' leuchtendem Grün. Als ich sie gefunden hatte, wischte ich alle Fäden weg, die sie mit Rons Amulett verbanden. Ron spürte das und fluchte. Er wich einen

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