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Der Tod traegt Turnschuhe

Der Tod traegt Turnschuhe

Titel: Der Tod traegt Turnschuhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrison
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unterbrach ich ihn. »Du kletterst heimlich aus dem Fenster und fährst dann mit dem Auto zur Schule? Wie hast du das denn geschafft?« So schmerzlich ich auch den Verbleib meines Autos in Florida betrauerte, hatte ich doch sehr schnell die neue Freiheit schätzen gelernt, die mein Fahrrad mir bot. Sich aus dem Haus zu schleichen war wesentlich einfacher, wenn man dabei keinen Lärm verursachte.
    »Ich parke immer auf der Straße«, grinste er. »Meine Eltern sind froh, wenn mein Wagen nicht in der Auffahrt steht. Sonst kommen sie mit ihren Autos nämlich nicht raus.«
    Ich nickte, als Shoe auf ein offenes Fenster im Gewächshaus deutete.
    Ein erneutes Rumsen ließ die Schule erzittern, kurz darauf hörte man einen hastigen Wortschwall aus einem Funkgerät. Dann heulte der Feueralarm los. Einen Augenblick später ging die Sprinkleranlage an.
    »Verdammt!«, fluchte Shoe, als im Labor das Wasser aus der Decke sprühte. Im Gewächshaus gab es keine Sprinkler und ich dankte Gott innerlich für diese kleine Gefälligkeit. Ich duckte mich und schlüpfte aus dem niedrigen Fenster. Aus dem Gang drangen die Stimmen der Polizisten herüber, die sich über das Wasser beschwerten. Ich war mir ziemlich sicher, dass außer Ron und Barnabas jeder in dieser Schule, der einen Puls hatte, diese Nacht nur als die Nacht, in der der Feueralarm losging, im Gedächtnis behalten würde.
    Meine Sneakers glitschten über das nasse Gras. Die Nacht war kühl und ich trat unruhig von einem Fuß auf den anderen und ließ den Blick über den verlassenen Parkplatz schweifen, während Shoe sich durch das Fenster quetschte. Am Horizont sah man ein Glühen, wo jeden Moment der Mond aufgehen würde. Shoe landete lautlos auf dem Rasen und nach einem kurzen Blick in Richtung der Blaulichter liefen wir über den Parkplatz.
    »Also, wo ist dein Auto?«, fragte ich, in der Hoffnung, dass Barnabas und Nakita für genug Ablenkung sorgen würden. Allerdings nicht für so viel wiederum, dass sie es bis über die Lokalnachrichten hinaus schaffen würden. »Ich wollte nicht, dass es an der Schule gesehen wird, darum hab ich es ein Stück die Straße runter geparkt«, keuchte er beim Rennen. Doch als wir um die Ecke bogen, war ich diejenige, die wie angewurzelt stehen blieb.
    Shoe fuhr ein graues Cabrio. Und das Verdeck war heruntergeklappt.
    »Ohne mich«, stammelte ich und die Erinnerung an mein Herz klopfte vor alter Angst. Es sah aus wie das Auto, in dem ich gestorben war. Bis hin zu den Ledersitzen und dem Schlüssel im Zündschloss.
    Shoe sprang mit einem Satz über die geschlossene Tür und drehte den Schlüssel um. »Steig ein!«, rief er verwundert, als er mich in zwei Meter Abstand zum Wagen stehen sah. Hinter mir fuhren inzwischen die Feuerwehrwagen vor.
    Du schaffst das, redete ich mir in Gedanken zu. Zögerlich öffnete ich die Tür und stieg ein. Es ist nicht derselbe Wagen. Es ist nicht derselbe Fahrer. Aber mein Herzklopfen schien so real, dass es sogar die Illusion meines Körpers erschütterte. »Schnall dich an«, sagte ich, während ich mich vorsichtig in den weichen Ledersitz sinken ließ, als wäre ich aus hauchdünnem Glas.
    »Sind doch nur ein paar Meilen«, maulte er, sah kurz über die Schulter und setzte dann zurück. Die bedrohlichen Lichter der Polizeiautos lagen nun in weiter Ferne.
    »Schnall dich an!«, schrie ich und seine Augen wurden rund. In dem dämmrigen Licht sahen sie fast schwarz aus.
    »Okay, ist ja schon gut!«, sagte er und ich stierte ihn so lange an, bis er es tatsächlich tat. »Verrücktes Mädel.« »In genau so einem Auto bin ich gestorben«, sagte ich, um meinen Ausbruch zu erklären. Dann lachte ich nervös. »War nur ein Scherz.« Womöglich würde er mir gar nichts mehr glauben, wenn er dachte, dass ich dachte, ich sei tot.
    Ohne etwas zu erwidern, umfasste er das Lenkrad fester, als er uns auf die Straße und weg von dem Chaos in der Schule lenkte. Wir waren schon ungefähr eine Viertelmeile gefahren, als er endlich das Licht einschaltete.
    Erleichtert atmete ich auf. »Wir müssen noch bei dir zu Hause vorbei und den Patch holen«, sagte ich, während ich mir das Haar aus dem Gesicht hielt. »Vielleicht ist Ace ja noch da. Ich weiß nicht, wie weit ich beim ersten Mal in die Zukunft gesehen habe.«
    Mist!, dachte ich und biss mir auf die Zunge, als mir klar wurde, was ich da gerade gesagt hatte. Das würde sich nicht so einfach als Scherz abtun lassen.
    Shoe starrte mich an, ohne auf die Straße zu achten.

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