Der Tod traegt Turnschuhe
Einkaufszentrum geflogen waren. Ein bisschen so wie das Gefühl, beobachtet zu werden. Als ich Barnabas davon erzählt hatte, war er sofort in den Landeanflug gegangen und hatte uns auf dem Parkplatz zu Boden gebracht.
Das hatte meinem Ego ein bisschen Auftrieb gegeben.
Jetzt aber, wenn ich mich hier so umsah, war ich mir schon nicht mehr sicher, ob das Kribbeln echt gewesen war oder ob ich einfach nur wieder festen Boden unter den Füßen hatte haben wollen. Das Einkaufszentrum machte jedenfalls keinen besonders vielversprechenden Eindruck.
Es war Montag, also waren nicht viele Leute unterwegs.
Hauptsächlich Mütter, die ihre Kinder von einem Geschäft zum anderen schleiften, um Schulkleidung zu kaufen. Oder Kinder, die wiederum ihre Mütter hinter sich herschleiften - aus dem gleichen Grund. An einem Schmuckstand sah ich eine Gruppe Mädchen, die zu mir herüberstarrten. Verlegen scharrte ich mit meinen gelben Sneakers über die Fliesen und kam mir mit meinen punkigen lila Haarspitzen vor wie ein totaler Paradiesvogel. »Glaubst du, bei Josh ist alles in Ordnung?«, fragte ich Grace und zupfte nervös an meinem rot-schwarz karierten T-Shirt. Wenn ich diesen Morgen geahnt hätte, dass wir auf Protektion gehen würden, hätte ich mit Sicherheit etwas Unauffälligeres angezogen.
»Dem geht's bestimmt gut«, sagte Grace, als Barnabas zu uns stieß. Nakitas Gang war normalerweise entschlossen und selbstsicher, doch als sie sah, wie Barnabas dahinschlurfte, hielt sie sich ein bisschen weniger gerade. Sie gab sich noch immer alle Mühe, so unauffällig wie möglich zu sein, und blickte unsicher zu den Mädchen am Schmuckstand hinüber.
»Grace«, sprach Barnabas sie unumwunden an. »Du bist also sicher, dass dir die Seraphim nicht mehr über das Zielobjekt sagen können?«
Ich seufzte. Zielobjekt. So nannten die Todesengel ihre potenziellen Opfer. Wie in: »Ziel erreicht, Objekt tot.«
Nakita feixte. Sie warf ihr Haar zurück und grinste zu der hellen Lichtkugel hinauf. Grace' Botschaft war eigentlich nur für sie gedacht gewesen, aber Barnabas hatte gelauscht. »Was ist los, Barnabas? Nicht genug Informationen für dich? Ich dachte, du bist so gut in so was.«
Puh, ganz schön zickig. Sofort brach der Streit zwischen den beiden wieder los. Ich ließ derweil gelangweilt den Blick durch die Mall schweifen. Ein paar Jungs, die am Zeitschriftenladen standen, hatten uns entdeckt. Oder vielmehr Nakita, unter deren T-Shirt-Saum hin und wieder ein kleines Stückchen gebräunte Haut aufblitzte, während sie Barnabas wild gestikulierend einen Vortrag über die Oberherrschaft der Seraphim hielt. Genervt von den Streithähnen, schlenderte ich davon in Richtung der Tische und Stühle. Der Imbissbereich fühlte sich richtig an, aber ich konnte mich nicht nur auf irgendwelche Gefühle verlassen. Ich musste es wissen.
Der Streit ging derweil nahtlos zur Erörterung der Frage über, wer von beiden mich wohl am meisten nervte, und ich hörte, dass sie mir hinterherkamen.
Grace bedachte sie mit einem Limerick über »Engel, die zanken mit erhobenen Pranken, bis Freundschaften geraten ins Wanken«. Ganz ehrlich, ich hätte nicht übel Lust gehabt, die beiden einfach hier stehen zu lassen. So waren sie mir jedenfalls absolut keine Hilfe.
Als ich einen einigermaßen sauberen Tisch gefunden hatte, nahm ich mir einen Stuhl und setzte mich mit dem Rücken zu den anderen. Die waren endlich still und nahmen rechts und links von mir Platz. Nakita hielt ihre leere Tasche auf dem Schoß und nestelte an ihrem Amulett herum, während sie immer noch zu den Mädchen am Schmuckstand hinübersah. Ihre Miene war besorgt - aber nicht etwa, weil ich sauer auf sie war. Was sie viel mehr mitnahm, war die Tatsache, dass diese Mädchen total gothicmäßig aufgestylt waren: schwarze Klamotten, Spitze und alles, was dazugehörte, während sie selbst ein leuchtend rotes Oberteil trug. Barnabas in seinem ausgeblichenen T-Shirt schlurfte missmutig herum und sah trotzdem umwerfend aus mit seinem gelockten Haar, das in alle Richtungen abstand.
»Grace«, wandte ich mich wieder an meinen ehemaligen Schutzengel und fragte mich, wann genau ich eigentlich zum Vernunftbolzen dieser Truppe mutiert war. »Was haben die Seraphim denn nun gesagt?«
Diesmal hielten die beiden Todesengel den Mund und der Botenengel ließ sich auf dem Tisch nieder, wo sein Glühen verlosch.
»Nicht viel«, sickerte Grace' ätherische Stimme in mein Bewusstsein. »Seraphim sind nicht
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