Der Tod traegt Turnschuhe
gab keinen Laut von sich, dann glühte sie heller. »Ich versteh sowieso nicht, warum du unbedingt lebendig sein willst«, brummte sie und räumte damit ein, dass der Punkt an mich ging. »Das ist doch so ekelig. Ich meine, man sondert lauter widerliche Flüssigkeiten ab und muss ständig schlafen.«
»Ja, und essen muss man auch«, merkte ich säuerlich an. »Weißt du, wie lange es her ist, dass mir das Essen richtig geschmeckt hat?« Gut, dass ich keine Nahrung mehr brauchte, sonst wäre ich inzwischen wahrscheinlich schon verhungert.
Grace räusperte sich leise und plötzlich wurde ich nervös. Ich musste also nicht nur irgendeinem Typen das Leben retten, sondern auch noch Barnabas und Nakita dazu bringen, dabei friedlich zusammenzuarbeiten?
Klasse. Ganz große Klasse.
»Du hast doch wohl nicht geglaubt, es würde einfach werden, oder?«, piepste Grace von der Mitte des Tisches aus und glühte sich hektisch durch das komplette Farbspektrum. Dann schoss sie in die Luft wie eine umgekehrte Sternschnuppe und verschwand durch die Fenster in der hohen Decke. Ich sah sie nicht mehr, aber ich war mir sicher, dass sie uns beobachtete.
Keiner sagte etwas und ich blickte von Barnabas zu Nakita, die sich mit finsterer Miene von mir abwandte. »Ich hol mir einen Milchshake«, verkündete ich. Natürlich hatte ich keinen Appetit darauf, aber ich musste dringend mal einen Moment weg von den beiden. »Soll ich euch was mitbringen?«
Ohne auf eine Antwort zu warten, stand ich auf und stolperte fast über einen Stuhl, der direkt hinter meinem stand. Ich blieb stehen, kämpfte kurz um mein Gleichgewicht und schob den Stuhl in derselben Bewegung an einen der Tische - in der Hoffnung, dass es aussah, als wäre es Absicht gewesen. Während ich mich auf den Weg zu einem der Imbisse machte, meinte ich, Grace kichern zu hören.
Ich hatte die Schule mit hohen Erwartungen geschwänzt und jetzt fühlte ich mich total unfähig. Nicht, dass dieses Gefühl etwas Neues für mich gewesen wäre, aber dies war das erste Mal, dass ein Menschenleben auf dem Spiel stand. Ich suchte mir eine Bude ohne Schlange an der Theke und starrte nach oben auf die Speisenübersicht, ohne sie jedoch wirklich zu lesen. In meiner Tasche war das Geld, das mein Vater mir fürs Mittagessen mitgegeben hatte. Auch wenn ich jetzt ja kein Mittagessen mehr brauchte. Verdammt, ich musste i hm eine SMS schreiben und Bescheid sagen, dass ich heute später von der Schule kam.
»Willst du die Karte auswendig lernen oder was davon bestellen?«, fragte eine Stimme direkt vor mir. Ich zuckte zusammen und richtete meine Aufmerksamkeit auf einen Jungen, der etwa in meinem Alter war und eine ziemlich alberne Schürze mit einem Huhn und dem Schriftzug »Chicken Corner - einfach kikeriköstlich!« trug. Der Versuch, sein aschblondes Haar mit einem Papierhut zu bändigen, war kläglich gescheitert. Der Junge hatte ein nettes Gesicht und lächelte, als er meine Verlegenheit sah. »Ace« stand auf seinem Namensschild. Sofort musste ich an Josh denken und bekam ein schlechtes Gewissen, weil wir ihn in der Schule zurückgelassen hatten.
»Ahm, kann ich einen Vanillemilchshake haben? Einen kleinen«, sagte ich. Trinken würde ich ihn ja sowieso nicht. Der Junge drückte ein paar piepsende Tasten auf seiner Kasse.
»Noch was für deine Freunde?«
Ich drehte mich um. Nakita hielt ihre Tasche umklammert und blickte ziemlich verloren zu mir herüber.
Barnabas hatte den Kopf in den Nacken gelegt und starrte an die Decke, als wäre ihm furchtbar langweilig. Na, wenigstens stritten sie sich nicht. »Hast du mich etwa beobachtet?«, fragte ich und legte neckisch den Kopf schief. Total blöd, aber neckisch.
Ace griff nach einem Becher, der eine Nummer größer war, als ich ihn bestellt hatte, und grinste.
»Nicht schlecht, die Aktion mit dem Stuhl eben. Sah fast so aus, als wär's Absicht gewesen.«
Ich verdrehte die Augen und verfluchte Grace dafür, dass sie mir den Stuhl in den Weg gestellt hatte. »Danke «, sagte ich verlegen und trat von einem Fuß auf den anderen. Plötzlich fand ich es peinlich, lila Haare zu haben. Ich hatte hier niemanden mit gefärbten Haaren gesehen, außer der gepiercten Schönheit, die bei Hot Topic arbeitete.
Ace sagte nichts und drehte mir den Rücken zu, um den Becher zu füllen. In dem Raum hinter der Theke entdeckte ich noch einen anderen Jungen, der gerade die Öfen schrubbte. Fürs Mittagessen war es noch zu früh. »Wann fängt bei dir die Schule
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