Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens

Titel: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Niedlich
Vom Netzwerk:
kam schnell zu einem ziemlichen Streit, in dem ich ihm genau das vorwarf, aber ich musste irgendwann einsehen, dass die Gefahr für mich durchaus real war. Als ich mich im Streit von Tod verabschiedete und selber nach Hause sprang, landete ich mit einem Bein in meinem Bett. Buchstäblich. Knapp unterhalb meines Knies steckte mein Bein im Bettbezug, dem Schaumstoff der Matratze und außerdem noch in dem Kram, der im Bettkasten aufbewahrt wurde. Mit steigender Nervosität sah ich meine Eltern an meinem Zimmer vorbeigehen, allerdings bemerkten sie mich nicht. Irgendwann stand Tod plötzlich neben mir.
    „Du kommst alleine klar, was?“
    Ich war recht kleinlaut nach diesem Vorfall. Er half mir aus meiner Misere und zeigte mir geduldig, wie ich das und ähnliche Vorfälle wieder rückgängig machen konnte. Aber das kostete viel Zeit.
    So gingen die ersten Monate des Jahres 1994 und meine Schullaufbahn zu Ende. Die mündlichen Prüfungen des Abiturs wurden noch abgehalten, und es gelang mir, eine ordentliche Vorstellung abzuliefern, ohne von meinen Fähigkeiten zum Splitting Gebrauch zu machen. In Physik hatte ich eine Bruchlandung hingelegt, aber Bio riss es wieder raus, und mein Abizeugnis sah im Endeffekt ziemlich gut aus. Ich war nicht der Beste, aber mein Notendurchschnitt konnte sich sehen lassen.
    Unsere Abifeier eine Woche später sollte für die meisten von uns das letzte Mal sein, dass wir uns alle zusammen sahen. Manche wollten eine kaufmännische Ausbildung machen, andere in die Fußstapfen ihrer Eltern treten und deren Läden übernehmen. Es gab angehende Studenten der Medizin, Rechtswissenschaften und des Ingenieurwesens, aber auch solche, die noch gar nicht wussten, was aus ihnen mal werden sollte. Es gab Leute, von denen man annahm, dass aus ihnen mal etwas werden würde, und andere, bei denen man sich ziemlich sicher war, dass sie ihr Leben nie in den Griff bekämen. Einer wäre wohl am ehesten zum Kerzenhalter geeignet gewesen.
    Ich saß in einer Ecke, hielt mich an meiner Cola fest und beobachtete alle. Tod hatte sich still und leise zu mir gesellt und legte die Füße lässig auf die Sitzbank gegenüber.
    „Na, Junge, hast du es also endlich geschafft.“
    Ich nickte nur.
    „Was sitzt du hier alleine herum? Willst du nicht tanzen und mit den anderen feiern?“
    „Ich weiß nicht recht. Finden eh alle, dass ich etwas sonderbar bin. Ich habe das Gefühl, dass nach der Schule jetzt endlich mein richtiges Leben anfängt, verstehst du, was ich meine? Der heutige Abend ist so was wie ein Schlussstrich zwischen mir und den anderen.“
    „Du hast nicht vor, irgendjemanden von ihnen später mal wiederzusehen?“, fragte Tod.
    „Wozu?“, fragte ich. „Es würde mich nur an meinen Außenseiterstatus in der Schule erinnern. Ich hoffe, neue Freunde zu finden und das alles hinter mir zu lassen. Ich bin gespannt, was die Zukunft bereithält“, sagte ich mit voller Überzeugung und blickte zu Tod hinüber.
    Tods Miene war nicht leicht zu lesen, aber ich meine, dass er kurz zuckte, als ich von der Zukunft sprach.
    „Du weißt doch immer alles“, sagte ich zu Tod. „Verrate mir doch, was aus den Leuten hier wird.“
    „Kannst du das nicht selbst sehen?“, wunderte er sich.
    Ich stutzte. „Wie meinst du das denn?“
    „Schon gut“, gab er zurück. „Was aus Astrid und Frank wird, weißt du ja schon.“ Er zeigte auf die beiden Gestalten, die knutschend in der Ecke standen.
    „Vielleicht etwas Positiveres“, meinte ich.
    „Was soll ich dir da viel erzählen. Zuletzt enden sie alle als das da“, er zeigte auf einen Falter, der um eine Glühbirne schwirrte.
    „Das nennst du positiv?“, sagte ich.
    „Ich nenne die Dinge nur beim Namen.“
    Mein Blick schweifte durch die Runde. Eine Menge von jungen Männern und Frauen, die den ersten Tag vom Rest ihres Lebens feierten. Und dann blieb ich wieder an dem Falter hängen, der nicht von der Glühbirne abließ, angezogen von dem Licht, als wäre es der heißeste weibliche Falter, den er je gesehen hatte. Und während der Falter vergeblich versuchte, mit der Glühbirne Liebe zu machen, versengte er sich die Flügel und verschrumpelte zu einem schwarzen Etwas, das geräuschlos auf den Boden fiel. Der Anblick der rauchenden Masse ließ mir unwillkürlich einen Schauer über den Rücken laufen.
    „Ich hoffe, das war ein echter Falter“, sagte ich.
    „War er.“
    „Warum steigt kein Falter vom ihm auf?“
    Tod seufzte. „Entweder liegt es daran, dass Tiere

Weitere Kostenlose Bücher