Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens
Sohnes warf.
Ein Teenager wollte seine Freundin offenbar mit besonderer Rücksichtlosigkeit beeindrucken und lief so dicht an dem Jungen vorbei, dass er ihn am Bein streifte und ins Wasser stieß. Ich war drauf und dran, dem Teenager die Leviten zu lesen, aber seine Freundin erledigte das bereits für mich. Er entschuldigte sich bei dem Kleinen und ging dann mit ihr gesittet ins Wasser, wo sie dann nicht mehr ganz so gesittet an sich herumfummelten. Die Mutter des Kleinen hatte von alldem nichts mitbekommen. Sie sonnte sich weiterhin sorglos auf ihrer Decke.
Ein paar ältere Kinder tummelten sich im Wasser und spielten mit einem großen Ball, den sie hin und her warfen. Neugierig stand der Fünfjährige am Ufer und beobachtete das Treiben. Schließlich stapfte er entschlossen ins tiefere Wasser, um dort mitzuspielen. Offenbar konnte er bereits schwimmen, denn er hielt sich gut im Wasser, allerdings war er zu klein, um den Ball im Sprung zu erwischen. Die anderen Kinder schienen sich erst über ihren kleinen Besucher zu wundern, da er aber nicht störte und klaglos jeden Ball zurückholte, der zu weit geflogen war, nahmen sie ihn mit ins Spiel auf. So ging es eine Weile, bis der Ball in der Nähe der Bojen landete. Der Junge machte sich fröhlich auf den Weg. Und dann sah ich Thanatos über das Wasser laufen.
***
„Hör auf, etwas verhindern zu wollen“, hörte ich Tod in meinem Kopf sagen. „Du bringst dich nur selbst in Gefahr – und im Endeffekt muss er ohnehin sterben.“
Die Worte hatte er mir gesagt, als er mir bestätigte, dass Damm sich umbringen würde. Mein Körper kribbelte, weil ich instinktiv helfen wollte, aber Damm hatte ich auch nicht helfen können. Ich dachte daran, wie er ein letztes Mal zu mir herübersah und lächelte, bevor er sich das Gewehr unter das Kinn schob.
War es wirklich Schicksal, wie Tod behauptete? War es wirklich vorbestimmt, dass er sich aus Liebeskummer erschießen sollte? Ist das Schicksal nicht nur das Zusammentreffen verschiedener Faktoren, eine Mischung aus eigenen Entscheidungen, äußeren Umständen und dem Einfluss Außenstehender?
Ich hatte Damm nicht retten können. Ich war überfordert, abgelenkt, zu langsam. Tod hatte gewonnen. Aber musste er ein weiteres Mal gewinnen?
Diese Überlegungen hatten nur Sekunden gedauert, und instinktiv hatte ich mich bereits von der Terrasse in Richtung Strand bewegt. Der Junge hatte den Ball mittlerweile erreicht und zurück zu den anderen geworfen. Auf dem Weg zurück, schwamm er gefährlich nahe an einer der Bojen vorbei, an der ein paar andere Kinder spielten. Sie zogen sich daran hoch. Ließen sich fallen. Die Boje schwankte und traf den Kleinen am Kopf, der sofort bewusstlos wurde. Mit dem Gesicht nach unten trieb er im Wasser. Thanatos stand daneben und wartete.
Ich war wie erstarrt. Tod sah zu mir herüber und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Ich hatte den Atem angehalten, und mein Herz schien einen Moment auszusetzen. Dann begann es wie wild zu schlagen, und ich rannte.
Aufgrund des guten Wetters hatte ich lediglich ein T-Shirt und eine kurze Hose an. Ich war barfuß und machte mir über meine Klamotten keine Gedanken. Ich wollte einfach das Kind retten.
Ich spürte, wie meine Fußsohlen die Wasseroberfläche trafen, vergaß alles um mich herum und sah nur noch Tod und den Jungen. Tod schrie laut: „Nicht!“, aber ich rannte weiter, packte den Jungen unter den Armen und schleppte ihn zurück zum Ufer, wo ich ihn behutsam im Sand ablegte.
Die Kopfwunde schien nicht so schlimm zu sein, aber er atmete nicht. Ich schrie ihn an und gab ihm einen kleinen Klaps auf die Wangen. Plötzlich holte er tief Luft, hustete einen Moment und schlug die Augen auf. Ich hatte es geschafft. Erleichtert ließ ich mich neben ihm in den Sand fallen und sah mich nach Tod um, der sich anscheinend wieder in Luft aufgelöst hatte.
Sehr schnell hatte sich um uns eine Gruppe Neugieriger versammelt, die von meinen Kameraden zurückgedrängt wurden. Der Kleine hielt sich den Kopf, begann zu weinen und fragte ängstlich nach seiner Mami. Von der Menschentraube angezogen, war sie zum Wasser gegangen und drängte sich, nun, da sie die Stimme ihres Sohnes gehört hatte, nach vorn. Als sie ihn blutend im Sand sitzen sah, wurde sie blass. Ich schilderte den Unfall an der Boje und riet ihr, mit dem Jungen einen Arzt aufzusuchen. Andreas nahm den Kleinen und trug ihn in den Sanitätsraum, wo sie seine Kopfwunde versorgen und auf die Feuerwehr
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